Lady Helenes skandaloeser Plan
abgelegt hatte. »Bitte, bitte, bitte, mach, dass Mrs Fishpole noch da ist.«
Tom klopfte an die schmale Tür, während Lina und Meggin hinter ihm auf der Treppe warteten. Niemand öffnete. Lina biss die Zähne zusammen und betete noch inständiger. Tom klopfte wieder, lauter diesmal, und nun hörten sie Schritte. Endlich wurde die Tür aufgerissen.
Mrs Fishpole trug nicht mehr ihre weiße Schürze, sondern war von Kopf bis Fuß in graues Kammgarn gekleidet, und auf ihrem Haar balancierte eine schäbige Haube. Sie riss die Augen auf und öffnete den Mund, doch in diesem Moment drängte sich ein kleiner Körper an Tom vorbei und vergrub seinen Kopf in dem grauen Kammgarnrock. Und dann setzte ein wahrer Tränenstrom ein, um das Wiedersehen gebührend zu feiern.
»Meine Verlobte, Miss McKenna, hat mich auf die richtige Spur gebracht«, erklärte Tom fünf Minuten später. Sie saßen um den Küchentisch von Mrs Fishpoles Schwägerin, da es hier kein Wohnzimmer gab.
Mrs Fishpole hielt Meggin auf dem Schoß mit ihren Armen umfangen, als wollte sie sie nie wieder loslassen. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich das getan habe«, sagte sie immer wieder. »Ich muss den Verstand verloren haben, wirklich. Mr Sigglet hatte sich immer wieder über das Kind beschwert, und dann kamen Sie und erschienen mir wie der Engel der Vorsehung. Aber schon zwei Minuten später wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Und da war es zu spät.« Sie umklammerte Meggin so fest, dass sie das Kind beinahe erstickte, was Meggin jedoch nicht zu stören schien. Linas Pelzstola, die sie in den letzten Tagen sogar mit ins Bett genommen hatte, lag verstoßen auf dem Boden.
»Zu spät.« Mrs Fishpole konnte sich gar nicht beruhigen. »Darüber komme ich nicht hinweg, im Leben nicht! Ich bin auf die Straße gelaufen wie eine Verrückte, aber keiner konnt’ mir sagen, wohin Sie gegangen waren. Ich hatte meine Meggin hergegeben, und ich wusste Ihren Namen nicht mehr genau. Nicht einmal Ihren Namen!«
»Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen so viel Kummer bereitet habe«, sagte Tom.
»Nun, was das angeht, Sie kriegen sie natürlich nicht.« Mrs Fishpole musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen und machte den Eindruck, als wünschte sie sich ihr Nudelholz her. »Ich hab meine Stellung aufgegeben und werd mich jetzt selber um Meggin kümmern.«
»Mr Holland hat einen Fehler gemacht«, sagte Lina und lächelte Mrs Fishpole freundlich an. »Aber er wollte weder Ihnen noch Meggin ein Leid antun.«
»Das versteh ich schon«, gab Mrs Fishpole widerwillig zu. »Aber Sie hätten sie nicht mitnehmen dürfen«, sagte sie zu Tom.
»Sie wollten vermutlich in den Norden fahren, um Meggin zu suchen?«, meinte Tom. »Darf ich fragen, ob Sie immer noch nach East Riding zurückkehren wollen, oder wollen Sie sich in London eine neue Stellung suchen?«
»Ich geh wieder zurück«, sagte Mrs Fishpole entschieden. »Ich hab in den letzten Tagen viel darüber nachgedacht. London ist nichts für uns. Ich geh zurück und Meggin nehme ich mit. Sie wird von jetzt an Meggin Fishpole heißen, und jeder, der was dagegen sagt, kriegt es mit mir zu tun!«
Lina nickte ermunternd. »Das ist ein wunderbarer Plan«, sagte sie mit Wärme. »Meggin hat Glück, dass sie Sie zur Mutter hat, Mrs Fishpole.«
Mrs Fishpole wirkte ein wenig irritiert. »Was das mit der
Mutter
angeht … also, das hab ich eigentlich nie so gesehen. Aber ich könnte schon …«
»Sie sind zweifellos Meggins Mutter«, sagte Lina herzlich.
Meggin lugte aus dem schützenden Ring von Mrs Fishpoles Armen hervor wie ein Spatz, der auf einen fetten Wurm wartet.
»Ich glaube, Father Rumwold vom Münster braucht eine Haushälterin, die auch kochen kann«, sagte Tom, der es nicht für nötig hielt hinzuzufügen, dass Father Rumwold noch nie eine Haushälterin hatte und offensichtlich auch keine benötigte. »Sie wären doch ganz hervorragend geeignet. Wenn sie an der Stellung interessiert sind, könnte ich ihm schreiben und Ihre Dienste anbieten. Es ist ein kleiner Haushalt, der nur aus ihm und zwei anderen Priestern besteht.« Und er dachte bei sich, wie gut Rumwold eine anständige Fisch-und-Wurst-Pastete schmecken würde.
»Das wäre sehr freundlich von Ihnen«, erwiderte Mrs Fishpole mit einem Nicken. »Ich bin zwar nie Haushälterin gewesen, aber ich werde mich schon zurechtfinden.«
»Ausgezeichnet«, sagte Tom, setzte rasch einen Brief an Reverend Rumwold auf und reichte ihn Mrs
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