Lady Helenes skandaloeser Plan
Fishpole. »Darf ich für Meggins Reise aufkommen, Mrs Fishpole? Ich fühle mich verantwortlich für den Kummer, den ich Ihnen beiden in den letzten Tagen bereitet habe.«
»Dazu sage ich nicht Nein«, erwiderte sie. »Denn ich bin ein wenig klamm und wollte mir eigentlich was von meinem Schwager leihen, aber der hat auch nicht viel.«
»Es ist mir eine Freude, etwas für Sie beide tun zu können«, sagte Tom. Lina kniete neben Mrs Fishpoles Stuhl und flüsterte Meggin etwas ins Ohr, ohne sie auf ihrem behaglichen Platz auf Mrs Fishpoles Schoß zu stören. Das kleine Mädchen lächelte. Dann schob Lina ihr etwas in die Hand und schloss ihre Finger darüber. Mrs Fishpole merkte nichts. Sie war gerade damit beschäftigt, alles außer einer Guinee abzulehnen.
»Das ist mehr als genug, damit wir nach East Riding kommen, und ich danke Ihnen dafür. Ich will keine Almosen. Elsa Fishpole nimmt keine Almosen. Meggin und ich kommen schon zurecht mit dem, was wir haben, und wir können hart arbeiten, also wird es schon reichen. Stimmt’s, Meggin?«
Meggin schaute zu ihr auf und brach wieder in Tränen aus.
»Wird schon alles werden«, sagte Mrs Fishpole fast barsch. Doch sie schaukelte heftig auf ihrem Stuhl und musste selber ein paar Tränen fortblinzeln. »Nicht weinen. Wir Fishpoles weinen nicht.«
Endlich schlichen Lina und Tom unter geflüsterten Abschiedsworten aus dem Zimmer. Meggin schien unbedingt beweisen zu wollen, dass die Fishpoles, besonders die kleinen, sehr wohl weinten. Unaufhörlich.
»Was hast du Meggin gegeben?«, fragte Tom neugierig, als sie wieder in die Droschke stiegen.
»Meinen Ring«, antwortete Lina.
»Deinen Ring? Welchen Ring?«
Sie zuckte die Achseln. »Einen Ring, den mir dein Bruder geschenkt hat.«
»Er hat dir einen
Ring
geschenkt?« Tom erkannte seine eigene Stimme kaum wieder. Es war die Stimme eines Mannes, der in Kürze ein Familienmitglied umbringen würde.
Lina legte ihm die Hand auf den Arm. »Erst,
nachdem
ich ihn zum Juwelier geschleift hatte«, versicherte sie lächelnd.
»Oh.«
»Aber es ist immerhin ein schöner kleiner Smaragd«, fuhr sie fröhlich fort, »und da Mrs Fishpole weder meinen Namen noch meine Londoner Adresse weiß, kann sie ihn nicht zurückgeben. Also wird sie ihren Stolz hinunterschlucken, den Ring verkaufen und somit in der Lage sein, sich ein wenig behaglicher in Beverley einzurichten.«
Fast gegen seinen Willen musste Tom grinsen. »Du hast alles zum Besten gelöst, nicht wahr?«, sagte er. »Du hast gewusst, dass es ein Fehler war, Meggin von Mrs Fishpole zu trennen. Du hast Mr Sigglet gezwungen, uns die richtige Adresse zu geben, und dann hast du auch noch einen passenden Weg gefunden, Mrs Fishpole Geld zukommen zu lassen – ein Unterfangen, bei dem ich kläglich versagt habe. Du wirst eine wunderbare Pfarrersfrau sein.«
»Hmmm«, machte Lina. »Vielleicht – wenn ich eine werden will.« Damit reckte sie sich hoch und gab ihm zum ersten Mal aus eigenem Antrieb einen Kuss.
33
Rees hat bereits einiges gelernt
Helene platzte in das Musikzimmer und sah so glücklich aus wie nie zuvor. Rees musterte sie kurz und wandte sich dann wieder seiner Partitur zu. Er spielte die Cello-Begleitung zu der Arie des Hauptmannes, die er gestern geschrieben hatte. Er blickte erst wieder auf, als Helene ihm etwas vor die Augen hielt.
»Weißt du, was das ist?«, fragte sie aufgeregt.
»Blumen.« Er wiederholte die ersten Akkorde. Sie klangen pedantisch. Vielleicht würden sie die Überschwänglichkeit von
Kommt zum Ball!
zunichte machen. Vielleicht sollte er es lieber mit Oboen probieren.
»Das sind nicht einfach Blumen!«, protestierte Helene und schob ihn auf der Bank beiseite. »Sie haben auf meinem Nachttisch gelegen, und zwar seit« – sie errötete leicht – »seit wir vorgestern im Park spazieren gegangen sind.«
»Ja – und?«
»Und Saunders hat mir eben gesagt, dass es Stern-Glockenblumen sind!«
Rees betrachtete die welkenden Blumen. Er erkannte sie durchaus wieder, wusste jedoch nicht, warum Helene so ein Aufheben um sie machte. »Würdest du Oboen zur Begleitung der Arie des Hauptmannes zu übertrieben finden?«, fragte er sie.
Helene stutzte und horchte, als vernähme sie imaginäre Oboen. »Ich würde eher Celli nehmen«, sagte sie schließlich.
»Genau das habe ich auch gedacht«, stimmte Rees erleichtert zu. Er spielte die ersten Akkorde noch einmal. Eine Begleitung mit drei Celli könnte passen.
»Rees, du hast mir ja gar nicht
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