Lady Helenes skandaloeser Plan
verbannt.
Felicia kam der Verdacht, dass Mayne womöglich mit keiner der Frauen geschlafen hatte, in deren Begleitung er gesehen worden war. Vielleicht waren die Damen von seinen Komplimenten so verzaubert und ihr Ruf durch seine Begleitung so bereichert gewesen, dass sie kein Wort über die doch so unerwartet keusche Beziehung verloren. Wenn die Wahrheit so aussah, dann war Felicia gewillt, die Tradition fortzuführen. Als ihre Freundinnen letzte Woche wiederholt gesagt hatten, wie gut sie doch aussehe, hatte sie ihnen mit einem Zwinkern zu verstehen gegeben, dass sie dies allein Maynes Fertigkeiten verdanke. Denn die Wahrheit musste man in solchen Fällen gar nicht erzählen.
Achselzuckend trank sie ihre heiße Schokolade aus und schob die verwirrenden Gedanken über Mayne beiseite. Sie war doch schön genug, oder etwa nicht? Oder zumindest würde sie schön
sein
, wenn sie erst vier Stunden mit Ankleiden und anderen notwendigen Vorbereitungen verbracht hatte.
Felicia hatte gerade drei Stunden des Rituals hinter sich, sie war gebadet, parfümiert, geschminkt und gepudert, jedoch erst halb angekleidet, als ein Lakai meldete, der Earl von Mayne wünsche sie kurz zu sprechen, wenn es ihm gestattet würde. Ein Lächeln umspielte Felicias Mund. Oh, das war ja noch viel besser, als sie sich vorgestellt hatte! Sie warf einen Blick in den Spiegel ihres Ankleidezimmers. Noch trug sie nicht ihr Ballkleid, sondern blassrosa Strümpfe, die über dem Knie mit silbernen Haltern befestigt wurden. Ihre Chemise konnte durchaus als züchtige Bedeckung durchgehen, doch sie war mit rosafarbener Spitze besetzt, die jeden Mann verführen würde.
»Ich möchte mein Korsett anlegen«, befahl sie.
Ihre Zofe Lucy eilte mit dem gewünschten Kleidungsstück herbei und schnürte es eng über der Chemise. So! Nun war es perfekt. Felicias Brüste sprangen verlockend aus dem Korsett hervor, und ihre Taille erschien so schmal, dass ein Mann sie mit einer Hand umspannen konnte. Noch nie zuvor hatte sie etwas derart Gewagtes getan und einen Gentleman in ihrem Ankleidezimmer empfangen. Nicht einmal ihren Ehemann. Allerdings hatte Saville auch nie das geringste Interesse gezeigt, ihr beim Ankleiden zuzuschauen.
Die Zofe begann nun winzige Rosen in den Kranz auf Felicias Kopf zu flechten, von dem genau vier Ringellocken herabhingen. Felicia trug mehr Lippenrot auf. »Er kann jetzt kommen«, verkündete sie so gelassen, als empfange sie jeden Tag Gentlemen in ihren Privaträumen. »Und Sie, Lucy, haben jetzt eine halbe Stunde frei. Danach kommen Sie aber bitte unverzüglich, denn ich werde mich eilig ankleiden müssen.«
Ich kann damit rechnen, dass Lucy heute Abend mit allen Zofen tratschen wird, die ihre Damen begleiten, dachte Felicia beglückt. Sie zog eine Locke nach vorn und arrangierte sie gefällig über ihrer Schulter. Ihre Nase war vielleicht ein wenig zu lang, doch im Grunde war sie bemerkenswert gut erhalten. Es konnte nur ihre Schönheit sein, die Mayne dermaßen fesselte.
Dann vernahm sie ein Klopfen, und der Mann schlenderte gelassen in ihr Schlafgemach. Felicia verschlug es beinahe den Atem. Ihr Zimmer war sehr feminin in duftiger Seide und rosa Bändern gehalten – der Earl dagegen war ein Inbegriff geschmeidiger Männlichkeit. Heute Abend zeigte er sich besonders elegant in einem rauchblauen Rock, der seine breiten Schultern betonte und seinem Haar den Glanz eines Rabenflügels verlieh. Er wirkte absolut männlich und (wenn Felicia schlau genug gewesen wäre, dies zu merken) überdies gefährlich, als werde er von einer geheimen Wut angetrieben.
»Darling«, sagte er, beugte sich herab und küsste sie auf die Wange. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. »Mit so einer Ehre hatte ich nicht gerechnet.«
Felicia neigte den Kopf nach hinten und bot ihm ihren Hals. Ihre Mutter hatte auch diesen einmal als ein wenig zu lang bezeichnet, doch Felicia war anderer Ansicht. Ein anmutiger Hals war ein bleibender Wert. »Sie sind mir stets willkommen, selbst unter den intimsten Umständen«, schnurrte sie.
Im Grunde war es beruhigend, dass er nicht auf ihre offensichtliche Einladung einging, sondern lediglich lächelte und sich einen Stuhl heranzog. Felicia geriet über den Anblick, den sie beide im Spiegel boten, schier in Ekstase: Mayne so schön, so kraftvoll, so katastrophal mächtig. Und sie, eine der führenden Damen der Gesellschaft, exquisit gekleidet … Sie harmonierten geradezu prächtig!
»Ich brauche Ihre Hilfe«, begann er
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