Lady Helenes skandaloeser Plan
kniff die Augen zusammen. »Für die Halbweltdamen vielleicht!«
»Ich kaufe seit zwei Jahren meine Kleider bei ihr.«
»Sie sollte bei ihrer Kundschaft auf einen höheren Standard achten.« Helene erschauerte. »Diese Frau trägt jetzt das gelbe Kleid, das ich eben noch anprobiert habe. Und Rees hat vermutlich alles, was wir geredet haben, gehört!«
»Gut«, sagte Esme rücksichtslos.
»Gut?« Helenes Stimme stieg ins Falsett. »Was ist denn daran gut?«
»Vielleicht wird Rees sich nun um deine Gunst bewerben.« Esme deutete auf den Spiegel, vor dem Helene immer noch stand. »Schau dich doch nur an!«
Helene drehte sich vor dem Spiegel. »Das Letzte, was ich will, ist, dass dieser verworfene Mensch mir zu nahe tritt.« Doch sie betrachtete sich gehorsam.
»Du musst dein Korsett ablegen. Der Stoff ist so dünn, dass ich am Rücken die Bordüre deiner Chemise erkennen kann. Aber das Kleid steht dir unglaublich gut!«
»Wahrscheinlich tragen es sämtliche Kurtisanen der Stadt!«, sagte Helene ein wenig schrill.
Esme zuckte die Achseln. »Du bist mit den Jahren ein wenig snobistisch geworden, Darling.«
Helene schnellte zu ihr herum wie eine Schlange. »Wage es nicht, mich snobistisch zu nennen, weil ich überreizt bin und weil die Geliebte meines Mannes sich über mich lustig gemacht – weil sie mich
gedemütigt
hat! Lady Childe ist immer höflich zu dir gewesen, als du noch mit Miles verheiratet warst und sie seine Geliebte war.« Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Die Frau hat mich bloßgestellt. Hast du gehört, was sie über ihren Busen gesagt hat? Es ist völlig klar, dass Rees sie über jedes Detail unserer Ehe haarklein unterrichtet hat.«
Esme beschäftigte sich angelegentlich mit ihrer Handtasche. Sie wollte Helene nicht in Verlegenheit bringen, trachtete jedoch danach, mehr über ihre Ehe zu hören. »Was könnte er denn erzählt haben?«, fragte sie möglichst beiläufig.
»Ach, dass er … dass wir …«
»Ja?«
»Was in unserem Schlafzimmer geschah!«, fauchte Helene. »Er hat seiner Geliebten private Dinge erzählt.«
»Deine ehelichen Beziehungen waren wohl nicht so, wie sie hätten sein können«, wagte Esme sich behutsam vor.
Helene starrte sie an. »Woher soll ich wissen, wie sie hätten sein können? Immer, wenn ich deinen amüsierten Schilderungen über Bettgeschichten lauschte, hatte ich das Gefühl, als lebten wir in verschiedenen Welten. Keine Frau, die ein wenig Verstand besitzt, kann sich eine Wiederholung dieser abscheulichen Erfahrung wünschen. Du aber hast dich freiwillig diesen …«
»Bettgeschichten hingegeben«, ergänzte Esme heiter und puderte sich die Nase.
»Wie du das geschafft hast, werde ich wohl nie begreifen«, erklärte Helene mit unerschütterlicher Überzeugung. »Ich fand es einfach nur widerlich. Zweifellos stimmt mit mir etwas nicht. Rees meinte, ich sei unfähig, weiblichen Genuss zu empfinden – falls es so etwas wirklich gibt!«
»Aber ist dir nie in den Sinn gekommen, dass die Schuld bei ihm gelegen haben könnte? Meiner Erfahrung nach versuchen Männer oft, ihr Versagen zu kaschieren, indem sie die Schuld der Frau zuschieben.«
»Mir ist nicht klar, was Unfähigkeit oder Versagen damit zu tun haben.« Helene schien ihre übliche Zurückhaltung vollkommen über Bord geworfen zu haben. »Es hat wehgetan. Es hat am Anfang wehgetan, und es hat weiterhin wehgetan, und Rees muss wohl recht haben, wenn er sagt, dass ich einfach nicht für den Akt geschaffen bin. Außerdem bin ich viel glücklicher, wenn ich diese ehelichen Pflichten
nicht
erfüllen muss. Es ist sehr schwer zu ertragen, wenn ein Mann mich auf diese Art betatscht. Letztes Jahr konnte ich mich nicht dazu überwinden, Stephen Fairfax-Lacy irgendwelche Zärtlichkeiten zu erlauben. Ich bin einfach nicht daran gewöhnt.«
Offenbar war das, was im Godwinschen Bett geschehen war, nicht mehr gutzumachen, zumindest nicht gleich. Esme richtete ihren Sinn daher wieder auf praktische Überlegungen. »Wann willst du das neue Kleid zum ersten Mal tragen?«
»Wenn Madame Rocque so schnell ein Kleid nähen kann, könnte ich es vielleicht schon zu Lady Hamiltons Ball tragen«, meinte Helene.
»Der ist aber erst in zwei Wochen! Glaube mir, Madame Rocque wird dir innerhalb von zwei Tagen das Kleid liefern, um den Schaden wiedergutzumachen, der dir in ihrem Salon widerfahren ist.«
»Aber ich komponiere gerade einen neuen Walzer, der mich vollauf beschäftigt. Ich will mein Leben nicht durch
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