Lady Helenes skandaloeser Plan
kleine Schlampe, ist aber mitnichten eine.«
»Ich würde sie auch
niemals
so behandeln«, versicherte Tom, und die Erinnerung an ihren Kuss und wie er ihren Leib an sich gepresst hatte, verlieh seiner Stimme besonderen Nachdruck.
»Das wollte ich damit auch nicht sagen«, äußerte Rees, der völlig erschöpft klang. »Ich leg mich jetzt lieber etwas hin. Ich muss schließlich die Nacht durcharbeiten.«
»Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«
Rees war schon aufgestanden und auf dem Weg zur Tür. »Wenn du mir Lina morgen vom Hals halten würdest, wäre ich dir sehr dankbar«, sagte er über die Schulter. »Sie hat die lästige Angewohnheit, ständig ausgehen zu wollen, und erwartet, dass man sie begleitet.«
Tom blieb noch eine Weile im Musikzimmer sitzen und starrte auf die Blätter, die sich zu seinen Füßen auftürmten, während er über das Wesen der Versuchung nachdachte.
Doch Nachdenken half ebenso wenig wie Gebete um göttlichen Beistand, wenn er der Frau in Fleisch und Blut gegenüberstand.
Tom ging durch den Korridor auf sein Zimmer zu, als sie jäh ihre Tür aufriss. Es kam zu einem Zusammenstoß. Tom schnappte erschrocken nach Luft. Er hatte das Gefühl, als würde sich ihr kurvenreicher, duftender Leib in seine Haut einbrennen.
»Heiliger Strohsack!«, rief Lina aus und wich zurück. »Sie haben mich aber erschreckt!«
Er starrte sie nur an. Sein tiefes Verlangen musste ihm vom Gesicht abzulesen sein, denn eine leichte Röte stieg in ihre Wangen.
»Lina«, krächzte er mit heiserer Stimme, wie sie noch keines seiner Pfarrkinder vernommen hatte. »Wenn Sie nicht geküsst werden wollen, sollten Sie ganz schnell wieder in Ihr Zimmer gehen.«
Doch Lina legte ihm sanft die Hand an die Wange. »Dann küssen Sie mich«, sagte sie mit einer Stimme wie Samt.
Er versuchte verzweifelt, sich an einem letzten Gran Klugheit, einem Fetzen Vernunft festzuhalten.
»
Tom
«, sagte sie und gebrauchte damit zum ersten Mal seinen Vornamen und nicht einen jener Namen, mit denen sie ihn sonst zu bezeichnen pflegte: »Johannes der Täufer« oder »Reverend« oder »Mr Holland«.
Tom
.
Seine Lippen pressten sich mit der Gier eines Verhungernden auf ihren Mund. Und sie erwiderte seine Leidenschaft. Die sanfte Berührung ihres Armes an seinem Hals setzte seine Haut in Flammen. Allein diese flüchtige Berührung zeigte ihm zum ersten Mal in seinem Leben die Seligkeit, die Mann und Frau erleben können, wenn sie sich unbekleidet aneinander berauschen. Doch er konnte – durfte – nicht daran denken, sonst würde er sie schnurstracks in sein Zimmer tragen.
Also begnügte er sich mit einem wilden, fordernden Kuss. Dies war nicht der Kuss eines schüchternen Vikars, eines Beistandes der Armen und Erretters verletzter Tiere. Sondern der Kuss eines zügellosen Wüstlings, eines Mannes, der nur seiner Begierde gehorchte, eines Mannes, der keine Gefangenen machte. Heiß brannten seine Lippen, er war ein gnadenloser Barbar, der seine furchtlose Königin erobert hatte, ein Mann, der zuerst die Festung einnahm und hinterher Fragen stellte.
Dennoch war er ein Barbar, der sich zu beherrschen wusste. Er gestattete seinen Händen nicht, auf Wanderschaft zu gehen, sondern gab Lina allein durch die Liebkosung seiner Zunge zu verstehen, was er gern mit der weichen Rundung ihrer Brust, dem verborgenen Ort in der Ellenbogenbeuge und ihrer schwellenden Hüfte anstellen würde.
Der Kuss wollte und wollte nicht enden, denn Tom wusste genau, dass er danach allein auf sein Zimmer gehen würde. So kämpfte der Barbar gegen sich selbst, ließ seine Hand auf dem Rücken seiner Königin liegen und erlaubte sich nicht einmal, ihren üppigen Leib an sich zu drücken.
Lina hatte ihre Arme um seinen Hals geschlungen, ihre Finger in seinen Locken vergraben. Und obwohl die heißen Wellen der Begierde ihm fast die Besinnung raubten, merkte er doch, dass auch ihr Atem schneller ging. Und nun begannen ihre Hände an seinem Rücken tiefer zu gleiten … Nicht lange mehr, und er würde völlig die Beherrschung verlieren.
»Lina«, stöhnte er heiser und löste seinen Mund von ihren Lippen.
Ihre Augen waren geschlossen. Er wollte die wilde Freude in ihnen sehen, deshalb begann er sie erneut zu küssen, versuchte, sein wild schlagendes Herz zu beruhigen und ihr Gelegenheit zu geben, wieder zu sich zu kommen.
»Reverend«, sagte sie schließlich mit einer Stimme, die nur noch ein Flüstern war.
Sein Herz rutschte in seine Stiefel. Wieder
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