Lady Helenes skandaloeser Plan
andere Dame?«, fragte die Zofe erstaunt. »Etwa die Mutter des Earls?«
»Nein. Eine Freundin Lord Godwins«, erklärte Helene knapp.
Saunders pflegte im Allgemeinen betont vornehm zu sprechen. Doch wenn sie erschrak, gewann ihre Herkunft aus der Bankside die Oberhand. »Er kann doch nicht diese Singdrossel im Haus behalten, während Sie hier sind!«, stieß sie hervor. Und als Helene nickte, riss sie die Tür so heftig auf, dass sie gegen die Wand schlug. »Ich hol Ihnen sofort ’ne Droschke, Mylady!«
»Ich bleibe«, sagte Helene ruhig.
»Niemals! Sie wissen ja nicht, was Sie tun!« Saunders starrte ihre Herrin mit großen Augen an. »Ihre Mutter weiß ja gar nicht, wie abscheulich Ihr Mann ist!«
»Und ich baue darauf, dass Sie ihr nichts verraten.« Helene holte tief Luft. »Saunders, ich muss im Haus wohnen, und Rees’ Geliebte ist dabei unwichtig. Wir bleiben nur so lange, bis ich in anderen Umständen bin. Verstehen Sie? Dann kehren wir in das Haus meiner Mutter zurück, ohne dass es jemand merkt. Vergessen Sie nicht, nur meine engsten Freunde wissen, dass ich hier bin. Wenn Besuch kommt, wird man ausrichten, dass ich unpässlich bin.«
Sie musterte ihre Zofe scharf. »Ihnen ist doch klar, dass es einen furchtbaren Skandal gäbe, wenn meine Anwesenheit hier bekannt würde?«
»So furchtbar, dass ich ihn mir gar nicht vorstellen kann«, sagte Saunders ein wenig atemlos.
»Ich vertraue Ihnen. Es gibt sonst niemanden, dem ich die Wahrheit anvertrauen könnte.«
Saunders blinzelte ein paar Mal heftig und straffte dann entschlossen die Schultern. »Mylady, ich würde Ihr Vertrauen natürlich niemals enttäuschen. Sie können mir voll und ganz vertrauen, aber …«
»Ich zähle auf Sie«, sagte Helene eindringlich.
»Aber es ist doch unmöglich!«, protestierte die Zofe. »Wie in aller Welt wollen Sie miteinander reden? Wie werden Sie die Mahlzeiten einnehmen?«
»Ich werde wohl meistens auf meinem Zimmer speisen«, erklärte Helene. »Und da ich Seiner Lordschaft Unterstützung bei seiner Oper zugesagt habe, werde ich Miss McKenna wohl kaum zu Gesicht bekommen.«
Saunders schloss behutsam die Tür. »Zum Glück haben wir die wunderschönen Kleider von Madame Rocque mitgebracht.« In den vergangenen zwei Wochen hatte Madame Kleider für die gesamte Saison geliefert, und alle Gewänder waren nach dem gleichen Maßstab genäht: Sie sollten möglichst leicht sein und Helenes schlanke Gestalt zur Geltung bringen.
»Ich hatte eigentlich nicht vor, sie hier im Haus zu tragen«, sagte Helene erschrocken.
»Natürlich werden Sie sie tragen!«, bestimmte Saunders. »Das wäre ja noch schöner! Dass ein ordinäres Frauenzimmer eleganter gekleidet ist als die Gräfin!«
»Ich habe Rees’ Freundin bereits kennengelernt, Saunders. Sie ist blutjung.«
Saunders kniff die Augen zusammen. »Und angemalt.«
Helene seufzte. »Vielleicht sollten wir langsam mit dem Auspacken beginnen. Rees pflegt früher zu dinieren, als wir es gewohnt sind.«
Tatsächlich war sie eben erst fertig angekleidet, als im Erdgeschoss ein dumpfer Gong ertönte. Helene betrachtete sich in dem leicht rissigen Spiegel der Frisierkommode, die Leke augenscheinlich auf dem Speicher gefunden und in ihr Zimmer geschafft hatte. Sie hatte ein einfaches weißes Musselinkleid ausgesucht, das an Saum und Ärmeln mit Goldfäden bestickt war. Das große Geheimnis des Kleides war, dass der Musselin federleicht war und sich am Saum um ihre Knöchel kräuselte, sogar eine kleine Schleppe bildete, die beim Gehen wehte. Das Oberteil war nicht zu sehr ausgeschnitten, und auch die Ärmel waren nicht zu eng. Es war ein bequemes, luftiges und gediegenes Gewand – und dennoch hinreißend, wie der Earl von Mayne sagen würde.
Helene lächelte. Die Erinnerung an Mayne, der sie
bezaubernd
genannt und im gleichen Atemzug ihre Wange berührt hatte, verlieh ihr den nötigen Mut, sich nach unten zu begeben.
Um die Wahrheit zu sagen: In ihrem bisherigen Leben war Helene nur wenigen übel beleumdeten Frauen begegnet. Sie wusste aber, dass sie sich die Wangen auffällig schminkten und Kleider trugen, die kaum ihre Brustwarzen bedeckten. Sie wusste, dass Männer solche Frauen gerne anschauten. Vor zwei Jahren hatte sie Rees’ Sängerin kennengelernt, als Rees Miss McKenna in ihre Loge im Opernhaus gebracht hatte. Bei der bloßen Erinnerung schauderte es sie. Sie hatte sich damals steif mit Rees unterhalten, während Major Kersting sich der Sängerin annahm.
Als Leke
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