Lady Helenes skandaloeser Plan
weichen Leibes, der sich so bereitwillig an den seinen schmiegte. Er hob sie sogar in die Höhe, um sie noch enger zu umfassen, und Lina erhob keinen Protest, sondern schmolz an ihm dahin, schlang ihre Arme um seinen Hals, überließ ihm ihren Mund. Dann begann sie, ihn mit der Zunge zu necken, bis er sie mit seinem Mund verschlang. Sie stieß einen seltsam heiseren Laut aus, aus dem alle Heiterkeit verschwunden war.
Es war dieser Laut, der Tom wieder zur Vernunft brachte. Er besann sich darauf, wo er wer. Wer er war. Er entließ Lina aus seinen Armen und überlegte, was er zu seiner Entschuldigung anführen könnte. Wenn es denn eine Entschuldigung für sein abscheuliches Benehmen gab …
Doch sie ließ ihn gar nicht dazu kommen. »Soll ich daraus schließen, dass der Täufer doch der Versuchung erlegen ist?« Eine Spur Verwunderung lag in ihrer Stimme. Die Worte schienen zwischen ihnen in der Luft zu hängen. Einen Augenblick stand sie nur da und sah ihn an, den schönen Mund von seinen Küssen geschwollen und die Augen voll träger Befriedigung.
Dann drehte sie sich um und verschwand.
18
Sie tanzt in der Wüste
Zwei Tage später war Tom beinahe schon davon überzeugt, Johannes der Täufer zu sein. Lina gab eine exzellente Salome ab: Wohin er sich auch wendete, stets tanzte sie vor seinen Augen wie Salome vor dem König, und bald würde sein Kopf auf dem Tablett liegen. Sie ging vor ihm aus einem Zimmer, und er konnte eine Stunde lang nur an ihre Taille denken. Sie bückte sich, um Meggin hochzuheben, gewährte ihm dabei Einblick in das tiefe Tal zwischen ihren Brüsten, und Tom blieb vor Verlangen die Luft weg. Sie lächelte ihn über den Tisch hinweg an, und ihre Haut schimmerte golden im Kerzenschein. Er wollte diese goldene Haut kosten, jeden Zoll ihres Leibes wollte er mit seiner Zunge liebkosen. Und wenn sie leicht seinen Arm berührte und keck behauptete, sie habe den Tanz der sieben Schleier geübt, so musste er gewaltig an sich halten, um sie nicht in seine Arme zu reißen und so lange zu küssen, bis sie still war.
Also tat Tom das Einzige, was ihm einfiel: Er zog sich in sein Zimmer zurück und betete um göttlichen Beistand. Zuvor hatte er den Allerhöchsten um Rat angefleht. Doch dies hatte er aufgegeben. Jetzt betete er nur noch um Selbstbeherrschung. Und Beistand.
An Toms drittem Abend kündigte Rees an, er wolle nun beginnen, mit Lina eine bestimmte Arie einzuüben. Tom folgte den beiden ins Musikzimmer, obwohl ihm bewusst war, dass ein Eiswasserbad in seinem Zustand angemessener wäre. Als Lina zu singen anhob, ging ihm vor Freude das Herz auf. Ihre Stimme schraubte sich in immer größere Höhen, sie tanzte geradezu unter den Dachsparren des hohen Raumes.
»Sie hat ja eine unglaubliche Stimme«, hauchte er Rees zu.
Rees jedoch schaute stirnrunzelnd auf die Partitur. »Lina!«, fuhr er sie mitten im Lied an. »Würdest du die letzte Zeile freundlicherweise im angegebenen Takt singen? Da stehen eine punktierte Viertelnote und eine Achtelnote, nicht zwei Viertelnoten.«
Lina nickte zwar, doch ihr Blick glitt zu Tom und hielt ihn einen Moment fest. Sie holte tief Luft und setzte erneut an. Für einen Augenblick sah es aus, als würden ihre Brüste das Mieder sprengen. Tom spürte, dass er aufspringen und sie beschützen wollte, ihre Schönheit beschirmen – doch vor wem?
Im Zimmer waren doch nur er und Linas Gönner. Sein Bruder. Tom wurde von einer Welle primitiven Hasses ergriffen, eines zwanzig Jahre alten Hasses, dem Vermächtnis ihres Vaters. Der alte Earl hatte sich daran ergötzt, die Brüder gegeneinander auszuspielen. Seit sie der Kinderstube entwachsen waren, hatte er sie mit seinem Hohn verfolgt. Welchen Grund mochte er dafür gehabt haben? Der Alte war vor fünf Jahren gestorben, und Tom, der inzwischen Abstand gewonnen hatte, fragte sich, ob er am Ende gefürchtet hatte, seine Söhne hätten Front gegen ihn machen und sich auflehnen können. Das wäre jedoch undenkbar gewesen. Gehorsam wie Jagdhunde waren sie genau zu den Männern herangewachsen, die der Alte prophezeit hatte. Tom, so pflegte er zu sagen, sei zu schlapp, um jemals zu heiraten, und werde in einer unbedeutenden Pfarrgemeinde versauern, er besitze schlicht zu wenig Rückgrat, um eine bedeutende, größere Gemeinde an Land zu ziehen. Damit hatte er zweifellos recht. Tom brachte es einfach nicht fertig, die richtigen Leute zu bestechen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eines Tages zum Bischof aufzusteigen.
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