Lady Helenes skandaloeser Plan
läufst Gefahr, ausfallend zu werden.«
Lady Willoughby nahm ihren Fächer zur Hand und bewegte ihn leicht vor ihrem Gesicht. »Das liegt auch durchaus in meiner Absicht. Du musst aufgerüttelt werden, Garret. Wenn das so weitergeht, gibt es bald keine Ehefrau mehr in London, mit der du nicht geschlafen hast.«
Er hatte sich zum Kamin gewandt und blickte finster in die aufgeschichteten Scheite. Griselda biss sich verlegen auf die Lippe und fragte sich, ob sie fortfahren sollte. Doch dann richtete er sich wieder auf und wandte sich ihr zu.
»Ich denke, ich könnte die Ehe in Betracht ziehen«, sagte er gedehnt.
»Gut.«
»Aber nicht jetzt. Ich habe etwas in Gang gebracht und möchte es gern zu Ende führen.«
Griselda wusste, wann es keinen Sinn mehr hatte, ihn eines Besseren zu belehren. »Die Gräfin von Godwin?«, erkundigte sie sich.
»Ganz recht.«
»Davon habe ich natürlich gehört. Ich würde jedoch Godwin nicht außer Acht lassen. Der Mann kann sich nicht beherrschen.«
»Er war durchaus beherrscht, als er uns im Musikzimmer antraf«, erzählte Mayne gleichmütig. »Das Problem ist nur, dass die Dame spurlos verschwunden ist. Seit Tagen hat sie niemand mehr gesehen.«
»Vielleicht hat sie sich aufs Land zurückgezogen, um sich von dem Verlust ihrer Haare zu erholen«, vermutete Griselda, während sie liebevoll ihre reichen blonden Flechten tätschelte. Jedes Mal, wenn ihre Locken geschnitten werden mussten, stand sie tausend Ängste aus.
»Ihre Dienstboten behaupten, sie sei zur Kur gereist. Doch in Bath habe ich keine Spur von ihr gefunden und auf ihrem Landsitz ebenso wenig.«
»Meine Güte, diese Frau bringt dich aber auf Trab!«, stellte Griselda belustigt fest. »Wegen ihr fährst du sogar nach Bath. Nun,
ich
kann dir ganz genau sagen, wo sie sich aufhält!«
Er fuhr herum. »Wo?«
»Sie versteckt sich, bis ihr Haar wieder nachgewachsen ist. Ich selbst habe es ja nicht gesehen, aber wie mir berichtet wurde, hat sie wirklich Aufsehen erregt. Und du weißt ja, Garret, wie sehr man ein solches Aufsehen am nächsten Tage bereut. Mir ist es jedenfalls so ergangen, nachdem ich am Geburtstag der Königin mein preußisches Kleid mit den blauen Straußenfedern getragen hatte.«
»Wo versteckt sie sich?«, wollte Mayne wissen. »Ich will nicht, dass sie sich versteckt. Ich fand ihre neue Frisur wunderschön.«
»Du wirst sie schon aufspüren«, bemerkte Griselda lediglich und sah ihn eindringlich über den Rand des Taschenspiegels an, den sie aus ihrer Handtasche genommen hatte. »Bring es aber vor Ende der Saison hinter dich, ja? Ich möchte nämlich, dass du den Knoten diesen Sommer noch knüpfst, und du benötigst mindestens zwei Wochen, um deine zukünftige Braut auszusuchen und um ihre Hand anzuhalten.«
Mayne unterdrückte einen Schauder. »Ich kann mir nicht vorstellen, eine Frau zu haben, die ich jeden Morgen am Frühstückstisch sehen möchte.«
Griselda war damit beschäftigt, mit einem kleinen Pinsel ihre Lippen nachzuziehen. »Nachdem ich feststellen musste, dass Willoughby zum Frühstück gerne Kalbskopfpastete verzehrte, haben wir nie wieder gemeinsam gespeist. Dennoch war unsere Ehe auf freundschaftliches Entgegenkommen gegründet, das kann ich dir versichern.«
»Ich gehe jetzt«, sagte Mayne, beugte sich herab und hauchte seiner Schwester einen Kuss auf die Wange. »Machst dich für Bamber, den angeblichen Edmund Spenser, schön, wie?«
»Natürlich«, erwiderte sie und tupfte sich die kirschroten Lippen mit einem Taschentuch ab. »Ich freue mich schon darauf, seine kleine List bloßzustellen. Du bist so ein nützlicher Bruder! Mit so ungewöhnlichen Fähigkeiten! Kein anderer Mann hätte dieses Gedicht als Spensers Werk erkennen können, das muss ich dir zugestehen.«
Doch der Earl von Mayne schenkte dem Lob wenig Beachtung. Seine Fähigkeit, Gedichte zu behalten, war ihm einigermaßen gleichgültig (um die Zuneigung einer zaudernden Ehefrau zu erringen, waren Liebesgedichte sehr nützlich, doch er versäumte es nie, auch deren Autorenschaft anzugeben). Im Augenblick wünschte er lediglich, er besäße mehr Talent im Aufspüren flüchtiger Gräfinnen.
Es war nachgerade vertrackt. Er konnte sie nicht aus seinen Gedanken verbannen: ihre schlanke, rehartige Anmut, die zarte Linie ihrer Schulter, ihre großen Augen, ihre anmutig geschwungenen Brauen, ihr Haar … Verdammt, er wollte doch hoffen, dass sie es nicht wieder nachwachsen ließ. Eine so schöne Frau hatte es nicht
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