Lady Ilianas lustvolles Spiel
wie die meisten Frauen in der Burg - unter derselben Unfähigkeit litt, sich auf etwas zu konzentrieren, so wie sie selbst auch. Das lag natürlich an den Männern. Denn sie hatten sich am gestrigen Tag gemeinsam mit Duncan und seinen Leuten auf den Weg gemacht, um Seonaid zu befreien.
Seufzend ging Iliana auf Janna zu, und ihre Gedanken wanderten zu ihrer Mutter. Lady Wildwood schien die Einzige auf Dunbar zu sein, die nicht an Verdrossenheit litt. Sie, Ebba und Gertie hatten den restlichen Tag nach dem Aufbruch der Männer damit verbracht, in einem der neuen Räume zu arbeiten, und sie hatten ein großes Geheimnis um ihr Tun gemacht. An diesem Tag nun war Lady Wildwood abwechselnd damit beschäftigt gewesen, Iliana zu versichern, dass Duncan heil zurückkommen würde, und Angus zu beruhigen, dass sein Sohn seine Tochter unversehrt zurückbringen würde.
Iliana war es irgendwann leid gewesen, sich ihre gut gemeinten, aber oberflächlichen Trostworte anzuhören. Daher hatte sie sie bei Angus zurückgelassen und war den beiden seither möglichst aus dem Weg gegangen.
„Mylady!“ Janna richtete sich auf, als ihre Herrin plötzlich vor ihr stand. „Ich habe Euch gar nicht kommen hören.“
„Du wirktest geistesabwesend.“
„Ach ja.“ Die andere Frau seufzte und sah nachdenklich in die Ferne. „Glaubt Ihr, ihnen wird nichts geschehen?“ „Natürlich.“ Iliana hoffte, dass ihr die eigene Sorge nicht zu deutlich anzusehen war. „Du musst das hier nicht heute tun. Warum hörst du nicht einfach auf?“
Traurig schüttelte Janna den Kopf. „Dann hätte ich nur noch mehr Zeit zum Grübeln.“
Iliana nickte verständnisvoll. „Nun, ich dachte mir, ich werfe nur rasch einen Blick auf den Garten, ehe ich mich meiner Mutter und Lord Angus anschließe, um mit ihnen die Burgmauer zu begutachten.“
„Die Mauer?“
„Ja. Mutter hat Lord Angus gebeten, uns die Verbesserungen zu zeigen, die Duncan daran vorgenommen hat. Ich glaube, das ist nur einer ihrer vielen Versuche, uns von unseren Sorgen abzulenken!“
Janna schmunzelte. „Sie meint es sicher nur gut.“
„Ja“, erwiderte Iliana trocken und lächelte ebenfalls. „Das ist auch der einzige Grund, warum ich eingewilligt habe, sie zu begleiten. Hör ruhig auf, wenn du willst. Der Garten sieht doch eigentlich schon sehr gut aus.“
Doch Janna machte sich wieder an ihre Arbeit, und Iliana schritt langsam durch die Reihen der Pflanzen in Richtung Küche.
„Das ist eine sehr gute, solide Mauer. Ihr müsst stolz auf Euren Sohn sein.“
Bei Lady Wildwoods Worten wurde Angus’ Gesichtsausdruck weicher. „Ja, Duncan ist ein guter Junge. Manchmal vielleicht ein bisschen zu dickköpfig und leicht reizbar, aber er hat einen scharfen Verstand und ein gutes Herz.“
„Meine Tochter hat großes Glück gehabt, ihn ...“ Sie verstummte erstaunt, als sie merkte, dass ihr Begleiter ihr gar nicht mehr zuhörte. Er war plötzlich erstarrt und hatte aus schmalen Augen zu den Bäumen jenseits der Burgmauer geblickt. „Was ist?“ fragte sie, von plötzlicher Angst erfüllt.
Angus schwieg weiter und schüttelte dann leicht den Kopf. „Ich dachte, ich hätte etwas gesehen ...“ Mit einem Fluch fuhr er plötzlich herum. „Schließt das Tor! Zieht die Brücke hoch!“ brüllte er. „Schnell, schnell!“
Lady Wildwood sah zum Tor, schrak dann aber zusammen, als sie Angus keuchen hörte. Sie streckte die Arme aus, um ihn aufzufangen, als er vornüberstürzte. Mit einem erschrockenen Aufschrei sah sie, dass ein Pfeil in seinem Rücken steckte. Ein zweiter Pfeil flog sirrend an ihnen vorbei, und sie riss Angus mit sich zu Boden.
„Mutter!“ Iliana rannte in geduckter Haltung los. Sie war gerade an die Zinnen getreten, als Angus gebrüllt hatte, man solle die Brücke hochziehen. Sein Befehl hatte sie verwirrt, bis sie gesehen hatte, dass der Burgherr von einem Pfeil getroffen worden war. Ein Blick über die Mauer hatte ihr genügt, um zu wissen, was geschehen war. Reiter stürmten zwischen den Bäumen hervor, Bogenschützen folgten ihnen in etwas langsamerem Tempo. Die Burg wurde angegriffen. Sie erkannte die Wappenröcke. Engländer.
Einen Moment lang war Iliana wie gelähmt vor Angst, weil sie feststellte, dass die Zugbrücke immer noch unten war, dann hob sie sich langsam. Trotzdem befürchtete sie, dass es zumindest den ersten beiden Reitern noch gelingen könnte, auf die Brücke zu springen, doch sie waren offenbar vorsichtig. Sie brachten ihre Pferde zum
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