Lady in Rot (German Edition)
dass er diese Frau niemals wiedersehen wollte. Was also machte er hier?
Vito suchte immer noch nach einer Antwort, als er an einem der unteren Fenster eine Bewegung wahrnahm. Blasses Gesicht, blonde Haare, schlanke Figur. Aus dieser Entfernung war es unmöglich, das Gesicht klar zu erkennen, aber das musste er auch gar nicht, um zu wissen, dass es sich um Emily handelte.
Und in diesem Moment wusste er auch, warum er zurückgekehrt war.
Der kurze Blick auf sie, ein flüchtiger Eindruck am Fenster, hatte gereicht, um seine Sinne in Aufruhr zu versetzen. Augenblicklich strömten die Erinnerungen auf ihn ein – die Art und Weise wie sie küsste, schmeckte, sich anfühlte. Und mit den Erinnerungen kam das Verlangen – hart und fordernd. Er war es in den ganzen vergangenen Monaten nicht losgeworden.
Und das war der Grund, warum er an diesem Morgen hier war.
Die eine Nacht reichte ihm nicht. Für ihren Betrug hatte er sie gehasst, ja er verachtete sie noch immer. Aber jetzt war sie nicht mehr verheiratet – und das änderte alles.
Emily hatte das Auto vorfahren und vor dem Haus halten hören. Der Makler war ein wenig zu früh dran. Sie hatten einen Termin für elf, jetzt war es nicht mal halb. Nicht, dass es ihr etwas ausmachte. Je eher sie die Sache hinter sich brachte, desto besser – dann konnte sie endlich nach vorne blicken.
Mit einem Seufzer stand sie von ihrem Frühstücksstuhl auf und strich ihr Kleid glatt. Der Frühling dieses Jahr war ungewöhnlich warm, sodass sie ein paar neue Sachen hatte kaufen müssen, die zu den Temperaturen passten. Glücklicherweise überspielte das weite Sommerkleid in Grün und Blau ihren kleinen Bauch.
Mein Gott, war sie erschöpft. Erschöpft und niedergeschlagen. In den vergangenen fünf Monaten war so viel geschehen, dass sie das Gefühl hatte, ein völlig anderer Mensch zu sein. Sie erkannte die Emily nicht wieder, die sich eine wilde, leidenschaftliche Nacht gegönnt hatte in einem kleinen Apartment am Meer …
„Nein!“
Energisch schüttelte sie den Kopf. Sie würde nicht zulassen, dass ihre Gedanken zu dieser Nacht, zu diesem Mann zurückkehrten …
Viel zu lange verfolgte er sie schon. Tagsüber war es nicht ganz so schlimm, da hatte sie genug zu tun, um abgelenkt zu sein. Aber in den einsamen Stunden der Nacht kreisten ihre Erinnerungen immer wieder um ihn.
Wenn die Angelegenheiten um Marks Tod erledigt waren, dann konnte sie allem, was geschehen war, vielleicht endlich entfliehen. Vergessen. Nur gab es natürlich einen schwerwiegenden Grund, weshalb sie nie wirklich vergessen würde.
Sie war im fünften Monat schwanger – Ergebnis einer einzigen leidenschaftlichen Nacht mit einem verführerischen Sizilianer. Vito Corsentinos Baby. Das Kind war das Einzige, was ihr blieb, wenn die Formalitäten erledigt waren und sie ihr neues Leben begann – als alleinerziehende Mutter.
Warum klingelte es nicht? Joe McKenzie musste doch mittlerweile am Haus angekommen sein? Vielleicht inspizierte er zuerst das Grundstück.
Emily ging zum Fenster, zog die Vorhänge leicht zurück und blickte hinaus. Die Sonne blendete sie.
Merkwürdig. Er saß noch immer im Wagen. Ein ganz neues Auto, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. Die Geschäfte schienen gut zu laufen bei McKenzie and Watson.
Aber warum stieg er nicht aus, wenn er doch hergekommen war, um sich in seiner Funktion als Makler das Haus anzusehen?
Emily sah keinen Grund für die Verzögerung, also eilte sie zur Tür, öffnete sie und setzte ein Lächeln auf. Während sie die Augen mit einer Hand vor der Sonne abschirmte, blickte sie auf die silberfarbene Limousine.
„Sie müssen nicht bis elf warten, Joe. Ich weiß, dass Sie ein bisschen zu früh dran sind, aber das macht nichts.“
Die Sonne schien ihr direkt ins Gesicht, sodass sie nicht mehr erkennen konnte als eine große dunkle Gestalt auf dem Fahrersitz. Im ersten Moment pochte ihr Herz ganz aufgeregt, während sie sich fragte, ob es sich tatsächlich um Joe handelte. Eilig war sie darum bemüht, Haltung zu bewahren.
„Möchten Sie hereinkommen und eine Tasse Kaffee trinken?“
Das Schweigen des Mannes war verstörend. Ob Joe jemand anderen geschickt hatte? Oder …
Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zurück zu dem vergangenen Wochenende. Sie hatte die Hochzeit eines Cousins ihres Ehemannes besucht, doch mitten in der Trauung hatte sich die Kirchentür geöffnet, und es war ein Mann hereingekommen.
Ein großer, dunkelhaariger, umwerfend
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