Lady in Rot (German Edition)
Stimme klang viel zu hoch und schrill – es musste ihn ja geradezu misstrauisch machen. Das Kleid, das sie trug, war zwar weit und fließend, doch sie hatte die Arme verschränkt, sodass der Stoff gegen ihren Körper gedrückt wurde. Rasch ließ sie die Arme sinken. So klein ihr Bauch auch noch sein mochte, wenn Vito näher kam …
„Du hast mir einen Kaffee angeboten.“
Der Blick, den er ihr zuwarf, zeigte deutlich, dass ihre Frage ihn amüsiert hatte. Offensichtlich hielt er es nicht für notwendig, sie ernst zu nehmen.
„Ich würde gerne eine Tasse Kaffee trinken – vielen Dank.“
„Aber – ich habe nicht dich zu einer Tasse Kaffee eingeladen! Ich dachte, du wärst Joe.“
„Und wer ist Joe?“, fragte Vito. Die Belustigung war aus seinen Augen verschwunden. Offensichtlich hielt er Joe bereits für ihren Liebhaber.
„Nicht das, was du denkst!“, fauchte Emily ihn an. „Joe ist der örtliche Makler. Er soll den Wert des Hauses schätzen.“
„Du willst verkaufen?“
Vito war überrascht, wie er zugeben musste. Als er die lange Auffahrt zu dem imposanten Herrenhaus hinaufgefahren war, war ihm klar geworden, warum Emily so blitzschnell zu ihrem Ehemann hatte zurückkehren wollen. Ein Blick auf sein schäbiges kleines Apartment hatte gereicht, und sie war sofort wieder zu dem Leben voller Luxus und Behaglichkeit geeilt, das diese Ehe ihr bieten konnte.
„Ich habe keine andere Wahl“, entgegnete sie mit merkwürdiger Betonung, die er nicht deuten konnte.
„Du kannst dir den Unterhalt nicht leisten, ist es das? Dabei hätte ich gedacht, dass dein Ehemann …“
Ein eisiger Blick aus ihren blauen Augen ließ ihn verstummen.
„Du weißt nichts über meinen Ehemann“, erklärte Emily. „Insofern wäre ich dir dankbar, wenn du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern würdest.“
Offensichtlich hatte er einen wunden Punkt getroffen. Doch wenn er jetzt weiter nachfragte, würde sie sich ihm nur verschließen. Es war besser abzuwarten und die richtige Gelegenheit abzupassen. Irgendetwas verbarg sie vor ihm, dessen war er sich sicher.
Jetzt, wo er näher vor ihr stand, erkannte er auch, dass sie verändert aussah. Ihre Haare schimmerten golden, sie hatte ein Leuchten im Gesicht, und sie sah nicht mehr ganz so zerbrechlich aus. Insgesamt wirkte sie nicht wie eine Frau, die gerade ihren Mann verloren hatte.
„Willst du mich jetzt hineinbitten oder nicht?“
Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, lautete die Antwort Nein. Daher entschloss sich Vito zu einer Charmeoffensive und schenkte ihr sein verführerischstes Lächeln.
„Komm schon, cara, du wirst mir doch keinen einfachen Kaffee abschlagen, wo ich den ganzen Weg zurückgelegt habe, nur um dich zu sehen.“
„Den ganzen Weg?“, schnaubte sie. „Es sind kaum sechzig Meilen. Außerdem sollst du mich nicht ‚ cara ‘ nennen. Ich bin nicht dein Liebling. Darauf hast du bei unserem letzten Gespräch jedenfalls sehr viel Wert gelegt.“
Vito ignorierte ihre letzte Bemerkung und konzentrierte sich auf das Erstgesagte.
„Oh glaub mir, ich bin wesentlich weiter gereist als sechzig Meilen.“
„Von der Küste hierher?“
„Nein, von Sizilien nach England.“
Jetzt hatte er sie an der Angel. Sie wirkte vollkommen perplex.
„Von – Sizilien?“
„Ja, von Syrakus, um genau zu sein. Was meinst du denn, wo ich deine Freundin Amber getroffen habe?“
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Du willst doch wohl nicht behaupten, heute aus Sizilien angereist zu sein … das glaube ich nicht!“, protestierte sie, als er nickte.
„Ich bin über Nacht geflogen und direkt vom Flughafen hierhergefahren. Den letzten Kaffee hatte ich im Flieger. Also, cara, wie schaut’s aus?“, versuchte er sie zu überreden. „Welchen Schaden kann eine Tasse Kaffee schon anrichten?“
Im ersten Moment glaubte er, dass sie ihm die Tür vor der Nase zuschlagen würde. Ihre ganze Haltung drückte Feindseligkeit und Misstrauen aus, aber er entdeckte auch eine ordentliche Portion Neugier. Sie fühlte sich geschmeichelt, dass er extra wegen ihr die weite Strecke zurückgelegt hatte.
Alles, was er jetzt tun musste, war abwarten, und dann …
„Also gut, eine Tasse Kaffee“, sagte sie widerwillig. „Mehr nicht.“
Emily hatte sich bereits umgedreht und ging auf die Eingangstür zu, sodass sie das triumphierende Funkeln in Vitos Augen nicht sehen konnte.
Eine Tasse Kaffee – und das wäre definitiv nicht das Ende.
Nein, eine Tasse Kaffee war
Weitere Kostenlose Bücher