Lady in Rot (German Edition)
gerade mal der Anfang von dem, was er im Sinn hatte.
8. KAPITEL
„Also gut, Vito, ich denke, das ging jetzt lang genug so.“
Emily betete, dass man ihr nicht anhörte, wie schwer es ihr fiel, diese Worte auszusprechen. Zweimal bereits hatte sie sich vorgenommen, etwas zu sagen, Fragen zu stellen, auf die sie unbedingt Antworten brauchte. Sie konnte die Dinge nicht so in der Schwebe lassen. Doch jedes Mal hatte sie im letzten Moment wieder einen Rückzieher gemacht.
Während Vito seinen Kaffee trank, betrieben sie höfliche, belanglose Konversation. Mein Gott, sie unterhielten sich doch tatsächlich über das Wetter! Wenn sie einem völlig Fremden gegenübergesessen hätte, wäre das schon unangenehm genug gewesen. Doch wenn sie zu Vito hinüberschaute, der sich in dem hohen Ledersessel bequem ausgestreckt hatte, dann konnte sie gar nicht umhin, sich zu erinnern.
Wenn er sie ansah, dann erinnerte sie sich an die glühenden Blicke, die er ihr bei ihrer ersten Begegnung zugeworfen hatte. Zuweilen hatte eine geradezu fieberhafte Leidenschaft in seinen Augen geschimmert. Wenn er seinen Kaffeebecher hob und an die Lippen führte, dann entsann sie sich all seiner stürmischen Küsse, und wenn er die Hände bewegte, um sich beispielsweise eine dunkle Locke aus der Stirn zu streichen, dann prickelte ihr ganzer Körper, weil sie sich an jede Liebkosung erinnerte, die sie durch seine zärtlichen Finger erfahren hatte. In diesem Moment wünschte sie sich sehnsüchtig, jene köstlichen Empfindungen noch einmal zu erleben.
Allein das Wissen, dass ihr dieses Vergnügen nie wieder vergönnt sein würde, war es, was sie schließlich in die Lage versetzte, die Worte laut auszusprechen.
„Es ist an der Zeit, dass wir reden.“
„ Naturalmente, carina “, entgegnete Vito mit einem Lächeln und stellte seinen Becher auf dem Wohnzimmertisch ab. „Worüber möchtest du reden?“
„Du weißt ganz genau, worüber ich reden will.“
Seine betont unschuldige Frage machte sie wütend. Wenn er vorhatte, mit ihr Katz und Maus zu spielen, dann konnte er sich auf eine Überraschung gefasst machen!
„Ich will wissen, warum du hergekommen bist – und behaupte jetzt bloß nicht, du wolltest mir meine Börse mit dem Parkgeld zurückbringen, in der gerade mal ein Pfund gesteckt hat“, platzte sie heraus, als sie sah, wie er den Mund öffnete, um ihr offensichtlich eine belanglose Lüge aufzutischen. „Weil ich nämlich weiß, dass das nie und nimmer die Wahrheit ist. Niemand würde deshalb auch nur von Dorf zu Dorf fahren, geschweige denn extra aus Sizilien anreisen!“
„Du hast recht“, gestand er zu ihrer Verwunderung bereitwillig. Zunächst war sie so konsterniert, dass ihr der Mund offen stand und sie ihn ungläubig anstarrte.
„Wie bitte?“, stammelte sie.
„Du hast absolut recht“, bestätigte Vito noch einmal. Sein Ton klang völlig ungezwungen, ja, er lächelte sogar – ein Lächeln, das ihr sofort weiche Knie bereitete. „Ich bin nicht gekommen, um dir dein Portemonnaie zurückzubringen – das war natürlich nur ein Vorwand.“
Aha, jetzt stießen sie also zum eigentlichen Kern der Sache vor. Endlich würde sie erfahren, was er von ihr wollte. Unwillkürlich bekam sie einen trockenen Mund, und sie musste schlucken, um den Kloß im Hals loszuwerden.
„Was …?“
Ihre Stimme krächzte fürchterlich, aber sie traute sich nicht, nach dem Wasserglas, das vor ihr stand, zu greifen und einen Schluck zu trinken. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie vermutlich alles verschüttet hätte.
„Was ist dann der eigentliche Grund?“
„Kannst du dir das nicht denken? Ich bin wegen dir gekommen.“
„Oh, bitte! Das glaube ich nie im Leben! Warum solltest du den ganzen Weg zurücklegen, um mich zu sehen? Bei unserer letzten Begegnung warst du nicht sehr angetan von meiner Person …“
Die Worte erstarben, als sie den Gesichtsausdruck sah, mit dem er sie betrachtete. Das leichte Kopfschütteln sagte ihr, dass sie ihn falsch verstanden, dass sie nicht richtig zugehört hatte.
Nervös versuchte sie, sich an seinen exakten Wortlaut zu erinnern. Zu ihrem Schrecken setzte die Erkenntnis im gleichen Moment ein, in dem Vito ihren Verdacht bestätigte.
„Ich habe nicht gesagt, dass ich gekommen bin, um dich zu sehen – ich bin wegen dir gekommen.“
Wenn sie gekonnt hätte, dann wäre Emily aufgestanden und davongelaufen – so weit weg wie möglich von diesem Mann und dem Anspruch, den er auf sie erhob. Doch auch
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