Lady Lavinias Liebestraum
Wincote in irgendeiner Verbindung?”, fragte Sir Percival nachdenklich.
“Genau dies versuche ich herauszufinden. Ich kann jedoch nicht verhehlen, dass ich dem Mann grundsätzlich nicht über den Weg traue”, gestand James unverblümt.
“Sie misstrauen ihm, oder können Sie ihn nicht leiden, weil er Ihr Rivale ist? Ich mag zwar in die Jahre gekommen sein, doch bin ich keineswegs blind. Sie sind in Lady Lavinia verliebt, und Wincote macht ihr den Hof. Daraus schließe ich natürlich, dass Sie eifersüchtig sind”, betonte er mit schelmischem Blick zu James.
Dieser lächelte schief. “Es geht nicht nur um mich, die Duchess hat auch ein ungutes Gefühl und beauftragte mich, mehr über ihn herauszufinden. Das Dumme ist nur, dass niemand etwas Negatives über ihn zu sagen weiß.”
Sir Percy klopfte ihm auf die Schulter. “Nun, dann hat der Gute vielleicht wirklich eine weiße Weste.”
“Neulich haben wir ihn in Begleitung Lady Jerseys im Theater gesehen.”
“Lady Jersey”, wiederholte Sir Percy und rieb sich nachdenklich das Kinn. “Da kommt mir doch tatsächlich eine brisante Geschichte in den Sinn. Es hieß damals, ein gewisser
Charles
Wincote sei einer der Liebhaber der Dame gewesen. Als der Prince of Wales sie sozusagen unter seine Fittiche nahm, hat er Lord Wincote irgendeine Entschädigung angeboten, damit dieser das Feld räume. Natürlich wurde Prinny der Dame bald überdrüssig, wie es seine Art war. Dies mag denn auch der Grund gewesen sein, warum sie sich öffentlich zu Königin Caroline bekannte.”
“Und unser Lord Wincote besucht Lady Jersey. Es mag ein unbegründeter Verdacht sein – dennoch: Könnte er womöglich etwas gegen Seine Majestät im Schilde führen?”
“Sie meinen, er könnte dem Berater der Königin Informationen zuspielen, die George unter Druck setzen? So weit würde er doch nicht gehen.”
“Ich weiß es nicht. Es interessiert mich auch nur insofern, als Lavinia in irgendwelche Machenschaften involviert werden könnte und damit auch der Duke.”
“Was werden Sie unternehmen? Werden Sie Loscoe von Ihrer Vermutung in Kenntnis setzen?”
“Erst einmal nicht. Vielleicht folgen wir auch der falschen Fährte, zumal es sich als gefährlich herausstellen könnte, sich in die Belange des Königs einzumischen”, überlegte James mit einer steilen Falte zwischen den Brauen. “Es wäre mir in der Tat lieber, es fände sich ein anderer Weg, den Mann von Lavinia fernzuhalten.”
“Das wird Ihnen niemals gelingen, wenn Sie sich durch Ihre Eifersucht leiten lassen, James. Letzten Endes würden Sie nur das Gegenteil erreichen und die beiden noch enger zusammenbringen”, gab der väterliche Freund zu bedenken.
“Was schlagen Sie also vor?”
“Gehen Sie vorerst etwas auf Distanz und warten Sie ab”, riet er ihm, als sie den Club betraten. “Außerdem ist mir da gerade ein hilfreicher Gedanke gekommen. Überlassen Sie die Angelegenheit ruhig mir. Sobald sich mein Plan konkretisiert hat, werde ich Ihnen mehr darüber erzählen. Doch nun sollten wir uns erst einmal etwas Zerstreuung gönnen. Wie wäre es, wenn Sie mich zum Dinner einlüden, James?”, fragte er, derweil ein Diener ihnen Mäntel und Hüte abnahm.
James’ Miene erhellte sich. “Ein vortrefflicher Vorschlag.”
4. KAPITEL
M ittwochnachmittag erschien Lord Wincote wie verabredet in Stanmore House, um Lavinia zu einer Kutschfahrt in den Park abzuholen. Es war ein sehr heißer Tag, und die junge Dame hatte sich das leichteste Sommerkleid aus dem Schrank geben lassen, das sie besaß. Als der Phaeton sich in Bewegung setzte, war sie überdies froh, sich für den Hut mit der besonders breiten Krempe entschieden zu haben, abgesehen von dem Sonnenschirm natürlich, denn das Sonnenlicht erschien ihr heute greller und stechender denn je.
Sie beugte sich leicht vor und blinzelte zu Tom Bagshott hinüber, der neben ihnen ritt, denn die Stiefmutter hatte sich nach wie vor zurückhaltend gezeigt, sie zu begleiten. Der junge Mann nahm, wie stets bei derlei Anlässen, nicht weiter Notiz von ihnen und schaute unbeirrt auf die Straße.
Zufrieden lehnte Lavinia sich wieder zurück. “Heute herrscht eine wirklich unerträgliche Hitze. Ich wünschte, wir wären diese Saison nicht nach London gereist.”
“Ich hingegen schätze mich sehr glücklich, dass Sie hier sind und jetzt an meiner Seite weilen”, erwiderte Lord Wincote in tadellos korrekter Haltung, als mache ihm die Temperatur überhaupt nicht zu schaffen.
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