Lady Lavinias Liebestraum
sich den Weg zu Constance, die ebenso blass wie die Eltern an einer Wand lehnte und kaum mehr die Tränen zu unterdrücken in der Lage war.
“Was ist geschehen?”, fragte Lavinia atemlos.
“Irgendjemand hat Mamas Diamantencollier gestohlen. Sie glaubt, dass es vor dem Abendessen noch an Ort und Stelle war, doch wann genau es abhandenkam, kann sie nicht sagen”, klagte die junge Frau.
“Sie hat es tatsächlich nicht bemerkt?”
Constance’ Blick wurde noch verzweifelter. “Offensichtlich nicht. Sie war so sehr damit beschäftigt, meinen Ball zu einem Erfolg zu machen, dass der Dieb leichtes Spiel hatte. Papa vermutete zunächst, sie habe die Diamanten in Gedanken irgendwo abgelegt, aber Mama beteuert, sie habe sie den ganzen Abend getragen. Lord Corringham ließ bereits nach einem Konstabler schicken.”
“Oh Constance, es tut mir ja so leid”, erwiderte Lavinia und drückte sanft die Hand ihrer Freundin.
“Mein Ball ist ein einziges Unglück, Lavinia. Schauen Sie sich meine Gäste an, sie werfen sich Blicke zu, als verdächtigten sie sich gegenseitig. Schlimmer konnte es nicht kommen.”
“Sie haben wohl recht. Doch ist der Dieb bestimmt nicht unter den Gästen zu finden. Unsere Eltern kennen jeden Einzelnen von ihnen, also muss der Übeltäter sich irgendwie ins Haus geschlichen haben.”
“Vielleicht war es auch einer der Diener”, gab Constance zu bedenken. “Papa hatte eigens für diesen Abend einige weitere Bedienstete eingestellt. Die infrage kommenden ließ er vorsichtshalber im Morgenzimmer einsperren, um sie später persönlich ins Verhör zu nehmen.”
“Und was geschieht, wenn es keiner der Dienstboten war?”
Constance zuckte mit den Achseln. “Ich weiß es nicht. Papa wird kaum die Gäste verhören können, nicht wahr? Oh Lavinia, dieser Ball war die letzte Gelegenheit für mich …” Sie brach ab und begann zu schluchzen.
“Liebe Constance, falls ein angemessener Junggeselle der Einladung zu Ihrem Ball gefolgt ist, weil er sich für Sie interessiert, wird ihn dieses Malheur nicht abschrecken, er wird erneut Ihre geschätzte Gegenwart suchen.”
Die junge Frau lächelte mit einem Hoffnungsschimmer in den Augen. “Lord Haverley schenkte mir heute Abend besonders viel Aufmerksamkeit, wenn ich es recht bedenke.”
“Lord Haverley?”, erkundigte Lavinia sich überrascht. “Hat er nicht bereits eine Familie?”
“Nun, das stimmt, aber es stört mich nicht, dass er Kinder hat. Ich finde, auch ein Witwer hat das Recht auf ein zweites Glück. Gerade sein Alter und die daraus resultierende Tatsache, dass er mit beiden Beinen fest im Leben steht, sprechen für meinen Geschmack nicht gegen ihn. Ich mag ihn einfach.”
“Also ist alles halb so schlimm, meine Liebe. Gleich Morgen werden Sie ihn anlässlich der Probe bei uns wiedersehen. Vielleicht fühlt er sich bald ermutigt, um Ihre Hand anzuhalten, wenn es das ist, was Sie sich wünschen.”
Langsam kehrte die Farbe in Constance’ Wangen zurück. “Oh ja.”
Der Earl of Corringham hatte indessen davon abgesehen, einen Konstabler aus der Bowstreet nach Graham House rufen zu lassen, denn ein offizieller Gesetzeshüter hätte zu viel Aufhebens um den Diebstahl gemacht. Er hielt Major Greenaway, der bislang stets sehr diskret in seinen Nachforschungen vorgegangen war, für den besseren Mann. Und während dieser sich umzuschauen begann und die Gäste sich allmählich wieder beruhigten, schritt James vergnügt auf Constance zu.
“Miss Graham, würden Sie mir die Ehre erweisen und sich mit mir in eine Gavotte einreihen?”
Zunächst zögerte die junge Frau verlegen, doch sein herzliches Lächeln ermutigte sie, die Hand in seine Armbeuge zu legen und sich aufs Parkett geleiten zu lassen.
“Kommen Sie, Miss Lavinia, folgen wir doch ihrem Beispiel”, erklärte Lord Wincote, der plötzlich hinter ihr stand, ergriff ihre Hand und zog sie in Richtung Tanzfläche.
Lavinia machte ein besorgtes Gesicht und folgte ihrem Verehrer nur zögerlich. “Mylord, wir haben bereits zweimal miteinander getanzt. Ein weiteres Mal wäre unschicklich und gäbe den Gästen Anlass zu unberechtigten Schlussfolgerungen.”
“Lassen wir sie doch denken, was sie wollen, Lady Lavinia. Ich mache aus meinen Absichten Ihnen gegenüber kein Hehl”, erwiderte er leichthin und zog sie mit Schwung in seine Arme, just in dem Moment, als die Musik erklang.
“Sie haben mir noch keinen Antrag gemacht und sollten sich meiner positiven Antwort nicht so sicher
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