Lady Marys romantisches Abenteuer
den Verlauf ihrer Reise aufzuzeichnen. Gasthäuser und Poststationen säumten die Straße, die alle gut ausgestattet waren, um fremde Reisende zu verköstigen.
Beim letzten Halt öffneten sie den Proviantkorb, den Miss Wood vorbereitet hatte und der wohl gefüllt war mit kaltem Huhn, köstlichem Käse und Keksen. Diana nippte auch noch am Zitronenwasser aus einem Kristallglas, das ebenfalls für sie eingepackt worden war. Auf ihrer Reise genossen sie jeden Komfort, den man sich vorstellen konnte, und doch war Mary, während sie aus dem Fenster starrte, weit davon entfernt, glücklich zu sein.
Die Diligence wäre heiß, überfüllt und unbequem gewesen, aber die Reise dafür neu und aufregend. Lord John hätte schon dafür gesorgt, und sie hätte jede laute, staubige Minute auf der Straße genossen.
Diese Kutsche hier hätte sie dagegen genauso gut von Aston Hall in die Kirche fahren können, so sehr kam sie sich wie zu Hause vor. Alles war sicher, bequem, behütet – und sehr, sehr langweilig.
Mit einem Seufzer, der bald in ein leises, pfeifendes Schnarchen überging, sank Miss Woods Kopf zur Seite, und ihre Haube mit der Krempe rutschte ihr über die Augen.
Diana kicherte und schwenkte das Zitronenwasser in ihrem Glas. „Also, Schwester“, sagte sie leise, „erzähl mir jetzt alles.“
Mary blickte demonstrativ auf Miss Wood. „Pst, Diana, du wirst Miss Wood aufwecken.“
„So leicht kommst du nicht davon, Mary“, flüsterte Diana mit funkelnden Augen. „Die Bediensteten sprachen über nichts anderes im Coq d’Or. Wer war der gut aussehende Gentleman am Frühstückstisch?“
Nachdenklich faltete Mary ihren Fächer zusammen. Je eher sie Diana die Wahrheit erzählte, desto eher würde alles wieder vergessen sein. Und außerdem war es noch nie ihre Art gewesen, Geheimnisse zu haben.
„So genau weiß ich es gar nicht“, gestand sie reumütig. „Es geschah im Vorübergehen, verstehst du? Er sagte, er sei ein irischer Lord. Aber viel mehr weiß ich nicht.“
„Ein Lord ist schon einmal eine gute Sache“, meinte Diana eifrig. „Eine sehr gute Sache. Außer er hat gelogen, natürlich. Was ihre Titel betrifft, so lügen Gentlemen immer, nur um bei den Damen Eindruck zu erwecken.“
„Gut möglich, und ich würde es nicht einmal bemerkt haben.“ Mary seufzte und kam sich einfältig vor, weil sie so vertrauensselig gewesen war. Gewöhnlich glaubte sie den Menschen, was sie ihr über sich erzählten. „Er wollte noch nicht einmal verraten, ob er ein Heim besitzt. Er behauptete, ein Weltbürger zu sein, der sich überall auf seinen Reisen wohlfühlt.“
„Überall gibt es keinen Richter, der ihn finden könnte“, sagte Diana trocken. „Doch jetzt bin ich ungerecht, nicht wahr? War er hübsch? Jung? Männlich? Voller Charme und honigsüßen Worten?“
„Oh ja“, antwortete Mary und erinnerte sich daran, wie seine Augen gelacht und gefunkelt hatten, als er sie neckte. „Und er brachte mich zum Lachen.“
Diana erhob ihr Glas und prostete Mary zu. „Das beweist deinen exzellenten Geschmack. Da du meine Schwester bist, habe ich den bei dir schon immer vermutet. Oh Mary, ich bin so aufgeregt!“
Mary schaute bedeutungsvoll zu der schlafenden Gouvernante hin. „Miss Wood weiß nichts von alledem.“
„Wie ich Miss Wood kenne, weiß sie es schon. Sie weiß alles“, flüsterte Diana verschwörerisch. „Nie kann man Geheimnisse vor ihr haben. Ihr entgeht nichts. Warum glaubst du wohl, sind wir so überstürzt aus Calais abgereist?“
Mary zog die Stirn kraus. Ihrer Meinung nach war sie, was Lord John betraf, sehr vorsichtig gewesen. Doch die Eile, mit der Miss Wood sie gezwungen hatte, Calais zu verlassen, bewies das Gegenteil. Vielleicht hatte ihre Schwester einmal recht.
Diana beugte sich näher zu ihr. „So erzähl mir doch, Mary, schnell! Wie entdecktest du diesen Vorzeige-Lord beim Frühstück? Brachte er dir Rühreier mit Speck, oder lockte er dich mit einer Kanne frischem Tee?“
„Ich traf ihn schon gestern.“ Mary lächelte versonnen. „Er versuchte, das Gemälde mit dem Engel für mich zu kaufen, aber ich wollte das nicht zulassen und überbot ihn stattdessen.“
Diana rümpfte die Nase. „Seinetwegen hast du dieses scheußliche Bild gekauft? Oh Mary, das ist eine größere Schande, als irgendein Mann ertragen kann!“
„Warte, Diana, ich muss mit dir über dieses Gemälde sprechen“, sagte Mary und rutschte näher an ihre Schwester heran. „Ich glaube, an dem Bild ist
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