Lady Marys romantisches Abenteuer
irgendetwas … irgendetwas Eigenartiges.“
„Oh ja, eine seltene Hässlichkeit, so wie das …“
„Sei einmal still und höre mir zu“, unterbrach Mary sie rasch. „Heute Morgen, bevor wir Calais verließen, kam der alte Franzose, der mir das Bild verkauft hat, zum Gasthof und warnte mich, irgendjemandem zu erzählen, dass ich es gekauft habe. Er bat mich, alles, was das Bild betrifft, als ein Geheimnis zu wahren.“
„Warum?“ Aufgeregt beugte Diana sich vor. „Was kann an einem Bild gefährlich sein? Besonders an einem, das so hässlich ist?“
Mary schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich habe es in meinem Gepäck versteckt, um sicherzugehen. Ich kann mir nur vorstellen, dass es eine Fälschung ist. Und dass Monsieur Dumont möchte, dass ich ihm helfe, seinen Ruf zu wahren, indem ich alles geheim halte.“
„Dann will ich das Geheimnis des alten Schurken gerne wahren“, meinte Diana. „Ich werde schwören, dass mir das scheußliche Ding niemals unter die Augen gekommen ist. Und ich werde auch dein Geheimnis wahren, Mary.“
„Dass ich das teure Bild kaufte?“
Diana zwinkerte verschmitzt. „Nein, du Dummerchen, die Geschichte von deinem Gentleman.“
Marys Lächeln erstarrte. „Da gibt es kaum etwas, woraus man ein Geheimnis machen müsste, Diana. Außerdem bist du mit mir und Miss Wood auf Reisen, um ein schicklicheres Benehmen zu erlernen und nicht um mein Benehmen zu verderben.“
Aber Diana lächelte nur ein wenig boshaft und goss sich noch Zitronenwasser nach. „Ich glaube, wir hätten beide mehr Spaß an dieser Reise, Mary, wenn wir einen Kompromiss schließen würden. Ich will schwören, mehr den Anstand zu wahren, und du musst versprechen zu versuchen, es etwas weniger zu tun.“
„Das werde ich ganz und gar nicht tun, du Närrin!“, rief Mary entrüstet aus. Sie hatte sich bereits im Geheimen geschworen, kühner zu werden. Sie musste es nicht auch noch einmal ihrer Schwester gegenüber tun. „Warum sollte ich dir ein so lächerliches Versprechen geben?“
„Weil meines für mich genauso lächerlich wäre.“ Diana nahm Marys Glas aus der Halterung, die speziell dafür an der Kutschenseite angebracht war. Sie füllte es, drückte es Mary in die Hand und stieß mit ihrer Schwester an. „Auf das Vergessen, was immer auch vergessen werden muss.“
Mary zog ihr Glas zurück. „Auf solch einen absurden Trinkspruch trinke ich nicht. Viel besser, man lernt aus den Fehlern der Vergangenheit, als dass man sie vergisst.“
„Empöre dich etwas leiser, sonst bist du es noch, die Miss Wood aufweckt.“ Diana warf wieder einen Blick auf die schlafende Gouvernante. „Würdest du lieber diese ganze Reise von zu Hause bis hierher machen, um dann vor Langeweile zu sterben und im Staub von alten Bildern und Sehenswürdigkeiten zu ersticken?“
Erneut dachte Mary an den Entschluss, den sie gefasst hatte. Auch wenn sie Lord John Fitzgerald nie mehr wiedersehen würde, ihren ersten Tagen im Ausland hatte er einen außerordentlichen Glanz verliehen. Sollten ihre Abenteuer mit ihm für sie ein Anfang sein?
Diana hob ihr Glas. „Nun gut“, flüsterte sie. „Trinken wir auf die Zukunft. Auf Paris, Florenz und Rom.“
„Auf Paris, Florenz und Rom“, wiederholte Mary. Dann grinste sie übermütig. „Und auf … auf das Abenteuer!“
Es war fast Mitternacht, als John sich entschloss, in seine Unterkunft zurückzukehren. Er hatte sein Bestes getan, den Tag hinter sich zu bringen. Er hatte mehr getrunken und beim Kartenspiel mehr riskiert, als er sollte. Doch der Wein hatte ihn nicht betäubt, und seine Mitspieler waren nicht geschickt genug gewesen, um ihn abzulenken. Wie es schien, lief heute nichts so, wie er es sich wünschte, und es gab keine verdammte Möglichkeit, etwas an seinem Pech zu ändern.
Den Hut tief in die Stirn gezogen und die Hände in den Manteltaschen, beschloss er, lieber zu Fuß zu gehen, als eine Kutsche zu nehmen. Calais war nicht Paris, und zu dieser Stunde waren nur noch wenige Menschen auf der Straße. Das Rauschen der Wellen vom nahen Strand war in der ganzen Stadt zu hören. Nur ein so wohl behütet aufgewachsenes Mädchen wie Lady Mary Farren konnte Calais für einen aufregenden Ort voller Zerstreuungen halten. Und obwohl er beschlossen hatte, nicht mehr an sie zu denken, musste er gegen seinen Willen lächeln bei der Erinnerung daran, wie sie fast auf und nieder gehüpft war beim Anblick der imposanten Diligence.
Von Anfang an war ihm bewusst
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