Lady Marys romantisches Abenteuer
erkennen. Nicht, wenn das Bild die Vergangenheit hatte, die er vermutete. „Die Zeichen könnten Anfänge oder Ende von Buchstaben- oder Wortfragmenten sein.“
Nachdenklich sah Mary ihn an. „Natürlich handelte es sich dann um italienische Worte und noch dazu um alte. Wir müssen sie nicht unbedingt kennen. Ich zumindest nicht.“
„Wenn sie sehr alt sind, zweifle ich auch, ob ich sie kenne“, stimmte John ihr zu.
„Aber Sie sind unser Reiseführer“, meinte sie halb neckend. „Von Ihnen erwartet man, dass Sie in allem bewandert sind.“
Er lachte. Seine Rolle als Fremdenführer hatte er bereits vergessen. „Eine Anstellung auf Zeit, meine Liebe, und sie ist eher aus der Notwendigkeit als aus tatsächlichem Wissen heraus geboren.“
„Sie waren großartig“, sagte Mary mit Nachdruck. „Ich bete drum, dass Sie uns nicht verlassen, wenn wir erst einmal Paris erreicht haben.“
„Ich bleibe so lange, wie Sie meine Dienste benötigen“, gab er zur Antwort und war sich genau wie Mary des Doppelsinns der Worte bewusst. Zuerst, als sie Calais verlassen hatten, hatte John sich eingeredet, er reise nur so lange mit den drei Frauen, bis er das Gemälde ergattert oder die älteste Tochter verführt habe, was immer als Erstes vor der Ankunft in Paris auch passierte. Nun würden sie morgen am frühen Nachmittag in der Hauptstadt sein, und die beiden Ziele waren in noch weitere Ferne gerückt, noch unerreichbarer. Doch er gab keines von ihnen verloren. Sollte er das Rätsel des Gemäldes lösen, könnte sein Reichtum unendlich größer sein, als der Wert des Bildes betrug. Und wenn das geschah, konnte er Mary und ihr Vermögen vielleicht auch für sich fordern. Nicht, indem er ihren guten Ruf ruinierte, sondern ganz ehrbar als seine Gattin. „Solange ich erwünscht bin.“
„Natürlich sind Sie erwünscht“, entgegnete sie, als hätte es daran nie einen Zweifel gegeben. John hätte zufrieden sein können. Doch Neckereien reichten ihm nicht mehr. Er wollte sie.
„Was ist mit dem richtigen Reiseführer, den Sie engagiert hatten?“, fragte er. „Monsieur Leclair, nicht wahr? Sollte sich herausstellen, dass sein Wissen über die Geschichte Frankreichs wirklich so lobenswert ist, wie Miss Wood behauptet, dann wäre es doch schade für Sie, auf ihn zu verzichten.“
„Aber Miss Wood überwacht ständig unsere Ausgaben“, erwiderte Mary. „Und da Sie uns Ihre Führungen und Ihr Wissen zum Geschenk gemacht haben, wird sie Sie kaum fortschicken wollen.“
Ihre Offenheit brachte ihn zum Lachen. „Sie wollen mich dabehalten, weil ich mich ohne Hoffnung auf Entgelt abrackere?“
„Sie sind ein Gentleman“, entgegnete sie prompt. „Sie erwarten keine Belohnung.“
„Meine Liebe, ich bin ein Gentleman, der sich in Wirklichkeit noch für den letzten Krümel Brot placken und mühen muss“, sagte er. „Ich weiß genau, was praktisch sein müssen bedeutet.“
Mary senkte den Kopf und strich sich das Haar hinter die Ohren. „Ich muss mich anhören wie das dümmste, verwöhnteste, unnützeste Wesen auf der ganzen Welt. Natürlich müssen Sie sich Ihren Lebensunterhalt verdienen. Ich bitte Sie tausend Mal um Verzeihung, dass ich das vergessen habe. Wenn wegen Ihrer privaten Geschäfte Ihre Anwesenheit in London vonnöten ist, dann müssen Sie natürlich hinfahren und sich um Ihre Angelegenheiten kümmern.“
„Keine Entschuldigungen, Mary, nicht von Ihnen“, sagte er und streckte die Hand aus, um ihr eine Locke aus dem Gesicht zu streichen, die ihr zuvor entgangen war. Würde sie auch so schnell Verständnis zeigen, wenn sie wüsste, dass er ihr nie etwas vom Schatz der Feroces erzählen wollte? „Ich fühle mich geehrt, Sie nach Paris begleiten zu dürfen.“
Ihre Augen verrieten ihre Unsicherheit. „Wahrhaftig?“
„Wahrhaftig“, erwiderte er. „Geehrt und auch erfreut über die Gesellschaft.“
„Ich auch“, meinte Mary, schlang die Arme um den Körper und zeigte durch ein kleines Schulterzucken ihre Erleichterung. „Ich schlage vor, wir kehren zu unserer Unterhaltung über die Sprache dieser Fragmente zurück.“
„Italienisch, würde ich vermuten“, sagte er. „Obwohl es auch Französisch sein könnte, falls das Gemälde vor langer Zeit nach Frankreich gebracht worden ist. Und Sie, Mary Farren, gleichen keiner Frau, die ich je das Vergnügen hatte, kennenzulernen.“
„Danke, John.“ Sie schien sich nicht im Klaren zu sein, wie sie auf ihn wirkte, denn ihre Stimme klang kein
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