Lady Marys romantisches Abenteuer
Name mit F anfängt“, sagte sie prompt. „Wir wissen, dass sie aus Florenz stammt. Wir wissen, sie gab Fra Pacifico den Auftrag, dieses Bild zu malen und wahrscheinlich auch den Rest des Triptychons, von dem es abgeschnitten wurde. Und wir wissen, dass sie reich war.“
„Nichts von alledem wissen wir mit Sicherheit“, gab er zu bedenken. „Wir wissen gar nichts.“
Doch John war sich trotzdem bereits sicher. Und da Mary ihn nun schon so oft durch ihre Klugheit überrascht hatte, erwartete er beinahe, dass auch sie es herausfinden würde. Die Initiale führte zu der berüchtigten Familie Feroce. Alle Beweise deuteten darauf hin: der Maler, Florenz, das Datum der Holztafel.
Jeder gute Fremdenführer in Florenz könnte Mary die Geschichte erzählen. Die Feroces rivalisierten mit den Medicis um die Herrschaft über Florenz, politisch wie auch finanziell. Erst die Invasion des französischen Königs Charles Vlll. im Jahr 1495 zerstörte das Imperium, das die Familie so rücksichtslos aufgebaut hatte. Alle Männer der Feroces und deren Frauen wurden von den Franzosen getötet oder hingerichtet, ihre Palazzi geplündert und niedergebrannt, ihr sagenhafter Besitz – Juwelen, Silber, Gemälde, Wandbehänge – in alle Welt hinaus verstreut. Nie wurde die Goldtruhe gefunden, von der man vermutete, dass der letzte Herrscher sie für seine Flucht vorbereitet hatte, für die Flucht, die er nicht mehr ergreifen konnte. Es war ein königliches Lösegeld in Gold, das seither als reizvolles Geheimnis durch die Jahrhunderte geisterte.
Hütete vielleicht dieses Gemälde das Geheimnis des längst verlorenen Schatzes? Allein das Gold hätte einen unermesslichen Wert. Es wären Reichtümer jenseits aller Vorstellungskraft der heutigen, modernen Welt. Hatten die Feroces sich der Bedeutung ihres Namens würdig erwiesen, der übersetzt „die Grausamen“ bedeutete, und über Jahrhunderte hinweg ihre Macht ausgeübt, selbst noch im Tod?
John sah zu Mary hin, die in den Anblick des Gemäldes vertieft war, als hinge ihr Leben davon ab. Vielleicht war es auch so. Trotzdem wollte er ihr nichts über die Feroces erzählen, kein Wort. Er würde dieses Wissen für sich behalten, sozusagen als Belohnung. Ihr würde er dann auch das Bild überlassen, wenn er erst einmal dessen Rätsel gelöst hatte.
Das war doch nur gerecht, oder? Sie war die Tochter eines Dukes, hatte von Geburt an schon das große Los gezogen, mit einer Mitgift als Zugabe, während er – er war nicht viel mehr wert als die Buchstaben seines Namens. Sein Titel war ein leerer Witz, ohne ein Einkommen, das ihm Gewicht geben könnte. Dieser längst verschwundene Schatz könnte ihm ein Einkommen verschaffen bis ans Ende seiner Tage und auch noch seinen Erben. Endlich würde er überall, wo er hinkäme, Anerkennung finden. Er wäre ein Lord unter Lords, denn Geld war immer das beste Fundament für Ansehen. Es ließ jeden Fleck verschwinden. Mit dem Gold der Feroces würde er alles tun können.
Selbst um die Hand der Tochter des Duke of Aston bitten.
„Wir können raten, Mary“, sagte er. „Und bis jetzt haben wir hervorragend geraten, was das betrifft. Aber wir haben keine Gewissheit. Noch nicht.“
„Oh, Sie sind zu ernsthaft.“ Sie beugte sich vor, scheinbar, um die Tafel neben ihm besser betrachten zu können, aber auch, um ihn dabei leicht zu streifen.
Zumindest hoffte John, dass es so war. Denn auch das konnte er nicht mit Sicherheit wissen.
Aufmerksam betrachtete er die Zeichen auf der Rückseite der Holztafel und versuchte, sich auf sie zu konzentrieren, statt auf Mary, die sich weich und warm wie ein Kätzchen an ihn schmiegte.
Früher am Tag hätte er sich darüber einfach freuen können, doch das Gefühl von Aufregung und Bedrohung, das er jetzt empfand, hatte alles verändert. Er glaubte nicht, dass ein Gegenstand verflucht sein konnte, genauso wenig wie an Hexen und Zauberer, noch nicht einmal an Engel. Doch jetzt, da die Feroces in die Sache verwickelt waren, konnte er nicht leugnen, dass das Geheimnis, das Marys Gemälde umgab, wirklich düster und gefährlich zu sein schien. Und bis es nicht gelöst war, würde John ein mulmiges Gefühl haben, was Marys Sicherheit betraf.
„Wo wir jetzt eine Vorstellung von der ursprünglichen Größe des Bildes haben, könnten wir vielleicht auch herausfinden, ob diese Zeichen hier irgendeine Bedeutung haben“, sagte er. Nie mehr würde es ihm möglich sein, im Gesicht des Engels einen freundlichen Zug zu
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