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Lady Marys romantisches Abenteuer

Lady Marys romantisches Abenteuer

Titel: Lady Marys romantisches Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MIRANDA JARRETT
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ihrem Sitz, sodass sie zwischen den Beinen des Hirsches hindurchsehen konnte. Bestimmt war das nur eine weitere ihrer Fantasien. Bestimmt war er nicht hierher gekommen, um sie zu suchen. Bestimmt …
    Fröhlich einen Spazierstock schwingend, kam John mitten durch den Saal auf sie zu. Durch die Fenster fielen Sonnenstrahlen auf den gefliesten Boden der Galerie, und John durchschritt sie in regelmäßigen Abständen: drei Schritte im Schatten, dann zwei durch das strahlende Sonnenlicht. Wenn seine Schritte ruhig und gemessen waren, so war sein Gesichtsausdruck unter dem schwarzen Dreispitz alles andere als ruhig. Er drückte die wilde Entschlossenheit aus, ein entferntes Ziel zu erreichen.
    Sollte sie dieses Ziel sein?
    Mary schluckte und duckte sich wieder. Wie entsetzlich, sollte er sie dabei ertappen, wie sie ihn heimlich beobachtete! Ihr breitrandiger Hut mit den gestreiften Bändern war zwar nicht so groß wie einer von Dianas gezeichneten Hüten, aber bestimmt trotzdem noch hinter Artemis und ihrem Hirsch zu sehen. Sie musste so tun, als hätte sie John nicht bemerkt, als wäre sie so sehr mit ihrer Zeichnung beschäftigt, dass nichts sie davon ablenken konnte.
    Ihr Herz raste, während sie sich, den Stift in der Hand, wieder über ihren Skizzenblock beugte. Es wäre auch nicht gut, ihn ein leeres Blatt sehen zu lassen. Mit schnellen, mechanischen Strichen zwang sie sich also, die Zeichnung des Hirsches zu beginnen.
    Was würde er gleich zu ihr sagen? Und was würde sie ihm dann antworten? Oh, nur dieses einzige Mal wollte sie das Richtige sagen!
    Sie hörte, wie seine Schritte verstummten. Dann sah sie die sauber polierten Schuhspitzen und die Spitze seines Spazierstocks vor sich. Räusperte er sich, um ihre Aufmerksamkeit zu erwecken, oder fiel es ihm genauso schwer, ein Wort hervorzubringen wie ihr?
    „Guten Tag, Lady Mary.“
    Sie zwang sich, die Linie, die sie gerade gezeichnet hatte, zu Ende zu bringen, und zählte dann bis fünf, bevor sie aufblickte.
    „Lord John“, sagte sie. Wenn sie nur wüsste, wie sie es anstellen sollte, dass ihre Stimme weniger erfreut klänge! „Ihnen auch einen guten Tag.“
    Er nickte. Seine Finger spielten mit dem Griff seines Spazierstocks. „Ich hoffe, es geht Ihnen gut?“
    „Oh ja, danke“, erwiderte sie. Es war, als würden sie auswendig gelernte Zeilen eines drittklassigen Theaterstücks aufsagen. „Und Sie, Mylord? Geht es Ihnen gut?“
    „Ganz gut.“ Er blickte sich verstohlen um. „Sie sind ohne Begleitung?“
    „Meine Schwester und Miss Wood genießen ein wenig frische Luft“, antwortete Mary. „Sie müssten gleich zurück sein. Sie wissen ja, wie wenig empfänglich Diana für Kunst ist.“
    Zum ersten Mal schien so etwas wie ein Lächeln um seine Lippen zu spielen. „Ihre Ladyschaft hat immer andere Empfindsamkeiten gezeigt.“
    „Ja, das hat sie.“ Mary konnte spüren, wie sie ärgerlicherweise schon wieder errötete, und suchte Zuflucht hinter ihrem breiten Hutrand. Sie sah auf ihre Skizze.
    „Dürfte ich Ihre Zeichnung sehen, Mylady?“, fragte er, und sein respektvoller Ton schmerzte fast, wenn man bedachte, was sie beide alles getan hatten, als sie das letzte Mal beisammen waren.
    Sie nickte und hielt ihm den Block hin.
    „Der Hirsch, nicht wahr?“ Er ließ den Blick zwischen der Statue und dem Skizzenblock hin und her wandern.
    „Natürlich“, erwiderte sie und war ein wenig verletzt, dass sich ihm das Thema nicht von selbst erschloss. „Ich habe erst mit dem Kopf angefangen.“
    „Ah ja, haben Sie.“ Er studierte die Skizze ein wenig länger, und sein Gesichtsausdruck drückte dabei eher Interesse als Bewunderung aus. „Jetzt kann ich das Geweih erkennen.“
    „Ich glaube kaum, dass Sie das Geweih von den Hinterbeinen unterscheiden können, Mylord. Auf jeden Fall nicht bei meiner Zeichnung.“
    „Das habe ich nicht gesagt, Mylady!“
    „Das müssen Sie auch nicht, weil ich es tue.“ Achtlos begann sie, kleine Blumengirlanden um den Kopf des unglücklichen Hirschs zu malen. „Ich zeichne nur für mich. Und ich hatte nie vor, ein Kopist zu werden und auch kein Fälscher.“
    „Das ist klug“, sagte er so ernst, dass Mary zuerst nicht wusste, ob er einen Scherz machte oder nicht. „Denn Ihr wahres Talent liegt in Ihren Augen, nicht in Ihrer Hand. Ihr Talent ist Ihre seltene Gabe, ein Bild beurteilen zu können, und Ihre Liebe zu Bildern, Ihre Liebe zu dem, was sie ausdrücken.“
    Überwältigt starrte Mary ihn an. Noch nie zuvor

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