Lady Marys romantisches Abenteuer
Oberschicht gewöhnt war. Für ihre vier Guineen die Woche hatten sie zwei Schlafzimmer, ein Esszimmer und einen kleinen Salon zur Verfügung, sowie auch noch Zimmer für ihre Dienerschaft. Die Betten waren sauberer als alle anderen, die sie in Frankreich kennengelernt hatten, und die Möblierung war großartig. Ihr neuer Fremdenführer, Monsieur Leclair, ein freundlicher, wenn auch geschwätziger Franzose mit ausgezeichneten Englischkenntnissen, war mit ihnen zu ihrer ersten Stadtbesichtigung aufgebrochen. Sie hatten noch nicht damit begonnen, Besuche zu machen und ihre Empfehlungsschreiben vorzuzeigen, doch sie hatten bereits Ein ladungen zu Soupers, Salons und anderen Vergnügungen erhalten.
Trotz all dieser erfreulichen Amüsements hatten Mary und offenbar auch Miss Wood begriffen, dass es eigentlich nur eine Ablenkung gab, die Marys Gedanken von ihrer Arbeit fernhalten konnte, und das war John Fitzgerald. Dabei war es nicht seine Gegenwart, die sie ablenkte, denn er war im Hotel d’Imperatrice noch nicht aufgetaucht.
Mary wusste nicht, ob er nach Paris kommen würde oder nicht. Die letzte Nachricht, die sie von ihm erhalten hatte, war ein kurzer, charmanter Brief gewesen, den er beim Gastwirt zurückgelassen hatte. Er war auch an Miss Wood und Diana gerichtet gewesen. John sei in einer dringenden Angelegenheit fortgerufen worden und bedauere, sich nicht persönlich verabschiedet zu haben. Er würde die Erinnerung an die reizenden Damen und an ihre gemeinsame Reise immer in Ehren halten und hoffe sehr, sie eines Tages wiederzusehen. Er wünsche ihnen alles Gute und sage Lebewohl.
Nur Mary kannte den wahren Grund für seine Abreise, doch dieses Wissen ließ sie seine Abwesenheit eher schwerer ertragen, nicht leichter. Hundert Mal am Tag glaubte sie, ihn auf einer Straße erspäht zu haben. Bei jedem Klopfen an der Tür sprang sie auf, und bei jeder Einladung, die übergeben wurde, begann ihr Herz zu rasen. Sobald sie allein in ihrem Zimmer war, zog sie das Engelsbild aus seinem Versteck zwischen der Bettfederung. Und jedes Mal, wenn sie das tat, dachte sie dabei an John. Kein Wunder, dass Paris keine Zerstreuung für sie war.
„Warum versuchen Sie sich nicht an der Skizze einer anderen Statue, Mylady?“, schlug Miss Wood vor. „Mit jeder Zeichnung, die Sie versuchen, werden Sie Ihr Können verbessern und mit dem Ergebnis zufriedener sein.“
„Natürlich, Sie haben recht.“ Entschlossen schlug Mary das Blatt ihres Skizzenblocks um, begrub damit die unglückliche Artemis und, wie sie hoffte, auch ihre Gedanken an John. „Es gibt keinen besseren Anfang als ein weißes Blatt.“
„Wie wahr, Mylady“, stimmte ihr Miss Wood zu und seufzte. „Ich weiß, diese Museen wären in Lord Johns Begleitung so viel unterhaltsamer. Doch Gentlemen müssen sich um ihre Geschäfte in der großen Welt kümmern und lassen uns Damen allein zurück.“
Aber John hatte sie gar nicht allein gelassen, dachte Mary unglücklich. Sie war diejenige gewesen, die ihn verlassen hatte, und nun würde sie ihn vielleicht nie, nie wiedersehen.
„Doch wir sollten dankbar dafür sein, dass Seine Lordschaft so viel von seiner Zeit erübrigen konnte und sein Wissen mit uns teilte“, fuhr Miss Wood fort.
Mary senkte den Kopf über das Blatt und hoffte, so ihr Erröten verbergen zu können. Sie wusste nicht, ob Miss Wood erkannte, wie elend sie sich fühlte, oder ob es einfach ein abscheulicher Zufall war, dass sie John gerade jetzt erwähnte, wo Mary ihn so sehr vermisste.
„Ich bin sicher, wir können uns wunderbar die Zeit vertreiben, Miss Wood“, gab sie zurück, während sie heftig den Stift über das Papier führte. „Wir haben es getan, bevor wir Seine Lordschaft trafen, und es gibt keinen Grund, warum wir es nicht auch jetzt tun sollten, wo er fort ist. Oh, verflixt, jetzt ist es ruiniert.“
Verärgert betrachtete sie den dicken, ungeschickten Strich, den sie quer über das Blatt gezogen hatte. Wo waren nur ihre Konzentration, ihre Entschlossenheit? Sie trennte das Blatt vom Block und zerriss es in kleine Stücke. Dann stand sie abrupt auf.
„Diana, zeig mir, was du gezeichnet hast“, sagte sie, ließ Miss Wood stehen und trat zu ihrer Schwester.
Doch Diana bedeckte rasch ihren Skizzenblock mit den Armen und verbarg ihre Zeichnung.
„Oh, du willst es sicher nicht sehen“, meinte sie. „Meine Bilder sind nie sehr gut.“
„Heute Morgen dürften sie besser sein als meine“, entgegnete Mary und griff nach dem Block
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