Lady meines Herzens
ob er noch mal bei mir vorspricht. Inzwischen sind zwei Tage vergangen. Er weiß doch, wo ich wohne. Er hätte wenigstens einen Brief schicken können …«
»Vielleicht weiß er nicht, was er schreiben soll«, schlug Annabelle vor. Sie zuckte leicht mit den Schultern. Diese Möglichkeit war Sophie auch schon in den Sinn gekommen. Eigentlich war ihr in der Zwischenzeit jeder plausible oder unmögliche Grund in den Sinn gekommen, warum er nach einer Begegnung, die sie als magisch empfunden hatte, einfach verschwunden war.
»Ach komm, so ein Brief wäre doch ein Leichtes«, behauptete Julianna. »Er könnte zum Beispiel schreiben: Miss Harlow, es war mir ein Vergnügen, kürzlich Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich freue mich darauf, diese Bekanntschaft zu vertiefen. Darf ich bei Ihnen vorsprechen? «
»Da wir gerade von Briefen reden.« Sophie nickte zu Fergus herüber, der bei der London Weekly die Poststelle versah und gerade mit einem Sack Post hereinkam.
»Für Sie, Miss Harlow«, sagte er und grinste, während er Sophie einen Brief aushändigte.
»Danke, Fergus. Wer wird wohl diesen Monat heiraten?«
Sie nicht, so viel stand fest. Ein Jahr war vergangen, seit Matthew sie sitzen gelassen hatte, und noch immer wurde sie bei jeder fremden Hochzeit von Ängsten geplagt. Sie bekam feuchte Hände, ihr fiel das Atmen schwer, und sie schwor sich jedes Mal, ihre Stellung bei der London Weekly aufzugeben. Aber sobald die Braut neben dem Bräutigam am Altar stand, verschwanden die Symptome.
Sie ermahnte sich erneut, an die Alternativen zu denken – Näherin oder Dienerin, Gouvernante oder Mätresse –, und befand, es sei kein so schreckliches Schicksal, über Hochzeiten zu schreiben. Sie würde weiterhin eines der Schreibenden Fräulein der London Weekly bleiben.
»Vielleicht ist ja heute ein Brief von deinem Mr Brandon dabei«, sagte Annabelle. Sie war immer so optimistisch. Manchmal zu optimistisch.
»Nein. Ich habe ihm nicht erzählt, dass ich ein Schreibendes Fräulein bin, und von sich aus schien er die Verbindung nicht herzustellen«, antwortete Sophie. Ein Brief fesselte gerade ihre ganze Aufmerksamkeit. »Schaut mal, ich habe einen Brief von der Duchess of Richmond bekommen. Welchen Grund kann sie wohl haben, mich persönlich anzuschreiben?«
»Was steht denn drin?«, fragte Julianna, während Sophie den Brief entfaltete.
»Hier steht ›Liebe Miss Harlow‹, und weiter konnte ich bisher nicht lesen, ehe du mich unterbrochen hast.«
»Lies laut vor«, drängte Julianna ungeduldig. Sophie gehorchte.
Liebe Miss Harlow,
ich schreibe Ihnen, um Ihnen eine Geschichte für Ihre Kolumne vorzuschlagen. Ich biete Ihnen die exklusive Möglichkeit, über alle Details der bevorstehenden Hochzeit meiner Tochter mit Seiner Gnaden, dem Duke of Hamilton and Brandon, zu berichten. Sie können Ihre Leser über jeden Schritt der Hochzeitsvorbereitungen informieren, inklusive der Auswahl des Brautkleids, der Blumen und des Hochzeitsmenüs. Unsere sozialen Kreise sind geradezu begierig darauf, jedes Detail zu erfahren, und ich denke, den anderen Lesern Ihrer Zeitung wird es ähnlich ergehen.
Mit den besten Wünschen verbleibt
Wilhelmina Gordon, Duchess of Richmond
» Das ist ja mal ein Angebot!« Annabelle war verblüfft.
»Das wird eine riesige Sache«, prophezeite Julianna.
»Hamilton and Brandon. Als ob ihm ein Herzogtum nicht genügt!«, warf Eliza ein.
»Also wirklich! Er nimmt sich einfach zwei, während andere nicht mal ein Herzogtum abkriegen!«, scherzte Sophie. Die Frauen lachten.
»Kennst du ihn, Julianna?«, fragte Sophie.
»Nicht persönlich. Und über ihn ist so wenig Klatsch im Umlauf, dass ich selbst dann keine Kolumne damit füllen könnte, wenn mein Ruf davon abhinge.«
»Guten Morgen allerseits. Fangen wir sofort an«, sagte Mr Derek Knightly und betrat den Raum. Jeder verstummte und richtete seine Aufmerksamkeit auf den dunkelhaarigen, schneidigen Verleger, der die beliebteste Zeitung Londons herausgab. Sie würden jetzt nacheinander ihre Geschichten präsentieren, und er würde sie entweder akzeptieren oder nach etwas anderem fragen.
»Ladies first«, bemerkte Mr Knightly mit einem Schmunzeln. So begann er jedes Redaktionstreffen. Sie hatten sich inzwischen daran gewöhnt, obwohl die Beteiligung der Frauen anfangs nicht so reibungslos geklappt hatte. Nachdem die Redakteure jedoch die Erfahrung gemacht hatten, dass ihre Bekanntschaft mit den Schreibenden Fräulein beim weiblichen Geschlecht
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