Lady meines Herzens
grimmig verzogen. Er roch nach Zigarrenrauch. Brandon hatte ihn vermutlich beim Verfassen tragischer, vom Brandy befeuerter Oden auf die unglückliche Liebe unterbrochen.
Es war ihm ein Vergnügen, ihn zu stören.
»Ich brauche Sie als meinen Trauzeugen«, sagte Brandon.
Von Vennigan schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
Kapitel 44
Am Tag der Hochzeit …
Richmond House
Clarissa atmete tief durch. Ihre Zofe Nancy zog die Schnüre ihres Korsetts enger.
»Wir haben nur noch zehn Minuten«, bemerkte ihre Mutter und warf erneut einen prüfenden Blick auf ihre Taschenuhr. Sie beaufsichtigte das Ankleiden der Braut mit geradezu militärischer Präzision.
Das Gute daran, endlich zu heiraten, war wohl, dass sie nicht länger unter dem Befehl ihrer Mutter stehen würde, dachte Clarissa. Stimmt, sie meinte es gut. Aber Clarissa hatte inzwischen ihre Flügel ausgebreitet und war bereit, das Nest zu verlassen.
»Jetzt ziehen wir dir das Kleid an, mein Liebling.«
»Ja, Mutter«, sagte sie fügsam, weil alte Angewohnheiten sich nur schwer ablegen ließen und weil ihr Gehorsam Teil des Plans war.
Das Kleid – eine duftige Kombination aus weißem Satin, silberner Spitze und rosa Saphiren – glitt über ihren Kopf. Nancy begann, die Knöpfe im Rücken zu schließen.
»Und jetzt der Schleier.«
Ihre Zofe befestigte den Schleier so, wie Ihre Gnaden, die Duchess, es wünschte.
»Sie sind so eine wunderschöne Braut, Mylady«, entfuhr es Nancy.
»Das bist du, Clarissa. Ich bin sehr zufrieden mit dir«, sagte Lady Richmond. Clarissa versuchte, nicht an die herbe Enttäuschung zu denken, die ihre Mutter später an diesem Tag unweigerlich erleben würde. »Ich muss nun gehen, und du wirst schon bald nachkommen.«
Lady Richmond machte sich auf den Weg, um sich ein letztes Mal zu überzeugen, dass alles bereit war. Clarissa und der Duke würden kurze Zeit später in der Kirche eintreffen.
»Wir sehen uns in der Kirche«, sagte Clarissa. Es war die erste Lüge ihres Lebens.
»Das ist mein Mädchen.« Schon verließ die Duchess hastig in einem Wirbel aus lila Satin das Zimmer. Clarissa spürte, wie ihr die Kehle eng wurde. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ihre Mutter vielleicht gerade zum letzten Mal gesehen hatte. Sie war eine harte Frau, aber sie hatte immer nur das Beste für Clarissa gewollt und die einzige Aufgabe, die man ihr je gestellt hatte – eine Tochter aufzuziehen und gut zu verheiraten –, erfolgreich meistern wollen.
Aber jetzt gab es für Clarissa kein Zurück mehr. Heute kam es ganz auf sie an.
Rasch eilte sie zu ihrem Schreibtisch und zog aus einem Geheimversteck die Schreibutensilien, die der Konfiszierung vor wenigen Tagen entgangen waren. Sie und Sophie waren sich einig, sie musste Brandon zweierlei mitteilen: erstens, dass sie ihn verließ, zweitens, dass er in der Kirche bleiben und auf Sophie warten musste. Aber nach der ersten Zeile ging ihr die Tinte aus.
»Lady Clarissa, Seine Gnaden wartet auf Sie«, sagte ein Dienstmädchen und störte sie bei dieser wichtigen Aufgabe.
Die Uhr im Korridor schlug laut. Es war höchste Zeit aufzubrechen.
Ihr Blick fiel auf die Flasche mit dem Tonikum zur Heilung unangemessener Leidenschaften. Ihre Mutter hatte diese Flasche gestern Abend mit ihrem Abendessen auf einem Tablett hochgeschickt. Das Tonikum hatte eine merkwürdig blaue Farbe – um das erhitzte Blut zu kühlen, wie das Etikett versprach. Clarissa fand, das Tonikum könnte genauso gut als Tinte herhalten. Rasch kritzelte sie die zweite Zeile auf das Papier, eilte dann die Treppe hinunter und stieg zu ihrem Vater in die Kutsche, die der Duke of Hamilton and Brandon, ihr baldiger Ex-Verlobter, ihnen zur Verfügung gestellt hatte.
Bloomsbury Place 24
» Ach, verflixt!« , murmelte Sophie. Das konnte doch nicht wahr sein! Von allen Dingen, die sie verlieren konnte, musste sie dies ausgerechnet jetzt verlegen!
Ihre Einladung war verschwunden. Die Eintrittskarte für die Hochzeit war einfach nicht aufzufinden. Die Zeremonie begann in dreißig Minuten, und die Fahrt vom Bloomsbury Place zur St. George’s Church dauerte fünfundzwanzig Minuten. Man würde ihr ohne diese Einladung den Zutritt zur Kirche schlicht verweigern!
War das ein Zeichen?
Unsinn. Seit wann war sie denn abergläubisch?
Die Einladung lag nicht auf ihrem Schreibtisch, ebenso wenig befand sie sich in einer der Schubladen. Doch sie fand bei der Gelegenheit das silberne Armband wieder, das sie letzten Monat verlegt hatte. Die
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