Lady meines Herzens
entlangschritt.
Im letztmöglichen Moment wollten Brandon und von Vennigan die Plätze tauschen. Clarissa bekäme ihre Hochzeit mit dem Mann, den sie liebte.
Und dann würde Brandon sich auf die Suche nach Sophie machen und sie heiraten.
Er hatte Sophie in der Gästeschar noch nicht entdeckt und hielt weiter angestrengt Ausschau nach ihr. Sie wusste nichts von seinem Plan, und er wusste nicht, ob sie heute überhaupt gekommen war. Im Moment wusste er bloß, dass die beiden Bräute nicht dort waren, wo sie sein sollten. Er runzelte die Stirn, was eine neue Welle aufgeregten Flüsterns provozierte.
St. George’s Church
Draußen in der Menschenmenge
Sophie kam in einer Mietdroschke. Sie war allein. Es war nicht gerade die traditionelle Ankunft einer Braut bei ihrer eigenen Hochzeit. Ihre Hände hielten die wertvolle Einladung umklammert, die Julianna ihr überlassen hatte.
Sie hatte sich die Zeit nehmen müssen, ihrer Freundin alles zu erklären. Jetzt noch zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen, wenn sie an die Traurigkeit in Juliannas Blick dachte, weil sie die Letzte war, die von dieser neuen Entwicklung erfuhr. Sie hätte als Sophies beste Freundin die Erste sein müssen. Erst da begriff Sophie, dass Julianna die Affäre mit Brandon nicht nur aus moralischen Gründen missbilligt hatte, sondern weil sie fürchtete, ihre Freundin zu verlieren.
Das Leben war Veränderungen unterworfen – das war eine unausweichliche Tatsache. Sie hatten so viel gemeinsam durchgestanden: Juliannas Ehe und ihre Witwenzeit, Sophies Katastrophe mit Matthew, ihre gemeinsame Zeit in London, als sie die Stadt und die Zeitungswelt im Sturm erobert hatten; sie wurden die Schreibenden Fräulein getauft und hatten nur einander, ehe sich ihnen Annabelle und Eliza anschlossen.
Sophie hoffte, dass Brandon am Altar auf sie wartete, doch zugleich betete sie, dass ihre Freundschaft mit Julianna diesen Tag überlebte und weiterhin lebendig blieb. Von diesem Gedanken beseelt, verließ sie die Kutsche, schob sich durch die Menschenmenge und betrat die Kirche.
Sie war schon Hunderte Male hier gewesen, um Hunderten Hochzeiten beizuwohnen. Aber jetzt war sie hier, um selbst zu heiraten. Es würde ihre Hochzeit sein, und wie schon vor einem Jahr brachte diese Trauung unerwartete, unnötige und höchst unwillkommene Wendungen mit sich.
St. George’s Church
Im Inneren der Kirche
Lord Roxbury war weder mit Lady Derby noch mit Lady Belmont zur Hochzeit erschienen. Das hatte er der Klatschkolumne »Geheimnisse der Gesellschaft« der London Weekly zu verdanken. Deren Autorin, eine Lady mit Klasse, hatte sein Geheimnis verraten, dass er gleichzeitig mit beiden Damen eine Affäre unterhielt. Keine von ihnen war darüber besonders erfreut.
Als die fraglichen Damen nun zufällig zur gleichen Zeit die Kirche betraten, nutzte Lady Derby die Gelegenheit, um auf den Kleidersaum der anderen Dame zu treten, der daraufhin mit einem hässlichen Geräusch riss. Lady Belmont blieb abrupt stehen und rammte ihren Ellbogen nach hinten – direkt in den Unterleib von Lady Derby, die dieses Manöver nicht vorausgesehen hatte.
Dies führte zu einem höchst seltenen Ereignis: einem Faustkampf unter Frauen.
Die Feindinnen bekämpften einander verbissen, bis der Mann sich zu ihnen durchdrängte, der für diese erbitterte Feindschaft verantwortlich war. Nun richtete sich ihr gesammelter Groll auf den gemeinsamen Feind.
Sie brachten ihren großen Abscheu seiner Person gegenüber deutlich zum Ausdruck, als er die Kirche betrat.
Dieses kleine Durcheinander hatte eine ungewollte und unerwartete Konsequenz: Es hinderte Seine Gnaden, den Duke of Richmond, daran, zum Altar zu schreiten und dem Bräutigam eine sehr wichtige Nachricht auszuhändigen. Clarissa saß derweil nichts ahnend in der Kutsche, die unbemerkt Richtung Hafen rollte.
St. George’s Church
Vor dem Altar …
»Was tut der alte Mann?«, fragte von Vennigan, nachdem die zwei ringenden Ladys und der unglückliche Gentleman nach draußen eskortiert worden waren. Brandon hatte das unangenehme Gefühl, genau zu wissen, wer die Hauptpersonen in diesem kleinen Drama waren.
»Sieht aus, als käme er direkt auf uns zu«, erwiderte Brandon.
»Guten Morgen, Lord Brandon. Eure Hoheit«, begrüßte der Duke of Richmond die beiden Männer. »Schöner Tag für eine Trauung, was?«
Brandon und von Vennigan murmelten etwas Zustimmendes.
»Wirklich entsetzlich, die beiden Damen da kämpfen zu sehen. Haben wohl um die
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