Lady meines Herzens
unpassend aussehen könnte, wenn wir beide hier draußen stehen und miteinander reden. So allein …«
Es gefiel ihm, dass sie sich Gedanken darüber machte, ob die Situation unpassend erscheinen könnte, obwohl er zugleich von unzüchtigen Gedanken gequält wurde, in denen ihre üppigen rosigen Lippen und die Rundungen ihres Körpers eine nicht unwesentliche Rolle spielten.
Miss Harlow griff in ihr Retikül und zog einen Notizblock heraus. Während sie ihn flüchtig durchblätterte und anscheinend einen Bleistift suchte, rutschte der Schal von ihren Schultern. Der Ärmel ihres Kleids folgte, und ihre Schulter bot sich ihm nackt dar.
Der Anblick ließ in ihm die Vorstellung erwachen, wie sie nur mit einem Nachthemd bekleidet vor ihm stand. Wie er ihr das Hemd auszog und es einfach beiseitewarf. Sein Mund wurde trocken.
Die dunkle, lockige Masse ihrer Haare trug sie hochgesteckt. Nur ein paar Strähnen berührten ihre entblößte Haut und ließen in ihm die Vorstellung an eine zärtliche Liebkosung erwachen. Wie ein Flüstern. Er wollte die Linie ihrer Schulter mit den Fingerspitzen nachzeichnen, seinen Mund in das halbmondförmige Rund pressen, wo Hals und Schulter aufeinandertrafen.
Eine milchweiße, weiche, herrlich gerundete Schulter , und schon war er vollends in ihrem Bann.
Dass er sich von einer bloßen Schulter und einem verrutschten Ärmel so erregen ließ, verriet ihm immerhin so viel, dass er die Beziehung zu seiner Mätresse nicht schon vor seiner Hochzeit mit Clarissa hätte beenden sollen.
»Verzeihung. Jetzt finde ich meinen Stift nicht. Ich verliere nämlich ständig irgendwas«, sagte sie und blickte mit einem leisen Lächeln zu ihm auf. »Das ist eine schreckliche Angewohnheit von mir.«
Wenn sie lächelte, hatte sie ein kleines Grübchen in der Wange. Er fand es hinreißend und erotisch zugleich.
»Es ist heute Abend recht kühl«, sagte sie, schob den Ärmel nach oben und schlang den Schal enger um sich. Der Bann war gebrochen – fast. Augenblicke wie diese bestätigten ihn darin, warum er sie nicht mochte. Sie brachte ihn in Schwierigkeiten. Sie war dunkle Magie, wohingegen er Logik war. Vernunft. Rationalität. Diese Dinge vertrugen sich nicht.
»Wie gefällt Ihnen die Verlobungsfeier?«
»Es ist ein schöner Abend.«
Sie notierte rasch etwas. Erst jetzt bemerkte er, dass sie offenbar ein Schreibgerät gefunden hatte, während er wie ein Seemann auf Landgang begierig ihre nackte Haut betrachtet hatte.
»Wie sehr werden Sie sich zukünftig bei den Hochzeitsvorbereitungen einbringen?«
»Zur gegebenen Zeit werde ich am richtigen Ort sein, um mein Ehegelübde abzugeben«, antwortete Brandon. Was wurde von einem Mann sonst erwartet? Er würde bestimmt nicht bei der Auswahl der Blumen helfen oder die Speisefolge für das Hochzeitsmahl erörtern.
»Es ist ein bisschen einfältig, wenn man einen Mann nach Hochzeitsvorbereitungen fragt, nicht wahr?«, fragte Miss Harlow. Sie schmunzelte, und das Grübchen blitzte wieder auf.
»Was das betrifft, sind wir einer Meinung, Miss Harlow«, sagte er. Sie lachte. Es war ein herrliches, aufrichtiges Lachen, und er freute sich, weil er es war, der es hervorgerufen hatte. Er ertappte sich dabei, wie er sich gegen die Balustrade lehnte, gerade so, als richtete er sich auf ein längeres Gespräch mit ihr ein.
Aber Dukes lehnten sich nicht gegen Balustraden, und anständige Gentlemen starrten nicht und beschäftigten sich auf der eigenen Verlobungsfeier auch nicht mit anderen Frauen. Darum entschuldigte er sich und kehrte in den heißen, hell erleuchteten und heillos überfüllten Ballsaal zurück, obwohl er sich nichts mehr wünschte, als mit Miss Harlow an einem dunklen, einsamen Ort allein zu sein.
Kapitel 10
Noch fünfundzwanzig Tage bis zur Hochzeit …
Im Atelier von Madame Auteuil
Bond Street, London
»Das Kleid soll nach der neuesten Mode geschneidert sein und zugleich zeitlos«, erklärte die Duchess of Richmond. Madame Auteuil war die beste Schneiderin in London und wurde vornehmlich von der Aristokratie und den unermesslich Reichen der Stadt beauftragt.
Obwohl Sophie bereits zahllose Male die Modelle im Schaufenster betrachtet hatte, betrat sie das Geschäft heute zum ersten Mal. Der Verkaufsraum verströmte Eleganz, Glamour und Reichtum. Der Boden war mit üppigen tiefroten Teppichen ausgelegt. Zierliche Stühle mit zartblauen Samtpolstern und weißen Stuhlbeinen standen überall verstreut. Und dann die Stoffe! Es gab Regale über
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