Lady meines Herzens
am Gespräch. Ihre großen blauen Augen richteten sich stets auf die Sprechende, und sie lachte mit den anderen.
Von Vennigan schien amüsiert, wenn er nicht gerade über Clarissa wachte. Es kam sicher nicht oft vor, dass ein Prinz nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, vermutete Brandon. Und noch viel seltener wurden Prinzen von einer Reporterin übertrumpft.
»Clarissa, hast du diesen Walzer nicht deinem Verlobten versprochen?«, warf Lady Richmond ein. Ihr Mangel an Raffinesse war wirklich bemerkenswert.
»Stimmt. Danke, dass du mich daran erinnerst, Mutter.« Clarissa hatte natürlich nichts dergleichen getan. Sie widersprach ihrer Mutter allerdings niemals, und als Gentleman widersetzte Brandon sich niemals einer Dame. Im Stillen fragte er sich allerdings, was Clarissa noch für ihre Mutter tun würde, ohne sich zu beklagen.
Der Prinz nutzte die Gelegenheit, um sich zu verabschieden. Lady Richmond führte ihre Freundinnen in eine andere Richtung davon. Plötzlich stand Sophie ganz allein da.
Brandon lächelte sie ein letztes Mal an – es war ein trauriges Lächeln – und führte Clarissa zur Tanzfläche. Er verhielt sich korrekt und ehrenhaft, dennoch war er von seinem eigenen Verhalten enttäuscht.
Sein Walzer mit Clarissa erinnerte ihn an zweierlei:
1. Sie würde eine wunderbare Ehefrau und Duchess abgeben, unendlich gehorsam, ehrerbietig und wunderschön.
2. Er würde stets für sie sorgen, aber er würde sie niemals lieben.
Brandon fragte sich, warum seine Gedanken immer wieder zu einer Frau abschweiften, die ihm nichts von dem bieten konnte, was er von einer Ehefrau oder einer Duchess erwartete. Zumal er doch genau das wollte: eine gehorsame Ehefrau.
Während er mit seiner Verlobten tanzte, beobachtete Brandon aus dem Augenwinkel, wie Sophie in Richtung Terrasse ging. Sie war allein. Sobald dieser verdammte Tanz vorbei war, wollte er ihr folgen.
Kapitel 22
Sophie trat auf die Terrasse und stand allein an der Brüstung. Es war der beste Weg, um unbequemen Gesprächen auszuweichen. Sie war nicht in der Stimmung, um gut gelaunt und höflich zu plaudern. Obwohl es sie nicht überraschte, machte es ihr Angst, von Lady Richmond so offensichtlich geschnitten zu werden. Diese Frau mit ihren lieben, lieben Freundinnen konnte Sophie durchaus gesellschaftlich ruinieren.
Wenn sie nicht mehr zu den Hochzeiten eingeladen wurde, konnte sie ihre Kolumne nicht mehr schreiben. Wenn sie die Kolumne nicht mehr schreiben konnte … Sophie seufzte. Es gab keinen Grund, sich über die einzelnen Schritte dieser Abwärtsspirale Gedanken zu machen. Vielmehr grübelte sie besser über Brandons Verhalten nach. Sophie verstand, dass er mit seiner Verlobten tanzen musste. Vor allem unter den gegebenen Umständen.
Es blieb aber eine Tatsache: Wenn er nicht einmal einen Walzer ablehnte, würde er bestimmt niemals seine Verlobung lösen.
Diese Wahrheit zu akzeptieren fiel ihr immer schwerer. Aber sie konnte die Augen nicht vor den Tatsachen verschließen. Es waren nur noch zehn Tage bis zur Hochzeit … es würde bestimmt eine Hochzeit geben.
»Hier sind Sie also«, sagte Brandon. Er gesellte sich zu ihr. »Ich habe schon nach Ihnen gesucht.«
»Hallo«, sagte Sophie leise. Es gab keinen Ort, an dem sie jetzt lieber wäre als hier bei ihm. Aber es war ihr verhasst, darauf warten zu müssen, bis er ihr wieder seine Aufmerksamkeit schenken konnte.
»Sie sollten nicht allein hier draußen sein. Es gehört sich nicht«, sagte er fest.
»Ach, Sie müssen sich nicht um mich sorgen. Die halbe Festgesellschaft passt auf mich auf«, sagte sie und machte eine Handbewegung. Viele andere Gäste waren ebenfalls auf die Terrasse getreten und genossen die laue Sommernacht.
»Da haben Sie natürlich recht.« Er nahm ihre Hand und führte sie um eine Hausecke zu einer geschützten Nische, die von der Hauswand und zwei großen Steinsäulen geformt wurde. Ein Wandleuchter über ihren Köpfen warf zuckende Schatten auf die Steinwände und sprühte Funken.
Oh …
Sie waren allein und ungestört – wenn man einmal von den Hunderten Menschen absah, die direkt hinter der nächsten Ecke waren. Und jeden Augenblick konnte einer dieser Menschen sie zufällig ertappen.
Es war ziemlich dunkel hier. Neben dem Mondlicht und dem Wandleuchter gab es nichts außer grauen Schatten.
Diese Ecke war geradezu wie geschaffen für eine Verführung. Wenn man bedachte, wie viel sie beide aufs Spiel setzten – ihr Auskommen, seine Ehre und ihren
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