Lady meines Herzens
sicher war, glaubte er zu erkennen, wie Clarissa im Dämmerlicht der Kutsche tief errötete.
»Mein Hengst Samson hat sein Interesse an ihr schon deutlich bekundet. Er knabbert an ihrem Widerrist und drängt sich an sie. Nun, ich wollte sie eigentlich mit Lord Carringtons Hengst zusammenbringen, aber da Samson so großes Interesse an ihr zeigte, habe ich mir überlegt, den Zuchtplan zu ändern. Schließlich wird sein Stehvermögen gepaart mit ihrer Fellzeichnung ein wahrhaft stattliches Tier ergeben. Andererseits …«, fuhr der Duke of Richmond fort, ohne sich von seiner Frau stören zu lassen.
Jetzt verstand Brandon wenigstens, warum die Duchess of Richmond so viel Zeit ohne ihren Mann bei öffentlichen Anlässen verbrachte. Zum ersten Mal empfand er ihr gegenüber keine Verärgerung oder Abscheu, sondern Verständnis, das an Sympathie grenzte. Ihr Mann ignorierte sie, weshalb ihr nichts anderes übrig blieb, als sich ganz den gesellschaftlichen Ereignissen und ihrer Tochter zu widmen.
Der Monolog des Dukes ersparte ihnen jegliches höfliche Geplauder. Clarissa strahlte innerlich, weshalb er sich unwillkürlich fragte, ob sie ein Treffen mit ihrem ach so lieben Bayernwelpen arrangiert hatte. Lady Richmond starrte nur aus dem Kutschenfenster – dem Fenster seiner Kutsche übrigens. Da sich die Richmonds die Reparatur ihrer eigenen Kutsche nicht leisten konnten, war diese kaum in dem Zustand, um sie für Ausfahrten zu nutzen – es sei denn, Leib und Leben hingen davon ab, und selbst dann sollte man vermutlich erst ein Stoßgebet zum Himmel schicken, ehe man einstieg.
Aber dafür hatten sie ein paar bemerkenswert gute Kutschpferde im Stall.
Wenn es nicht um Pferde ging, war der Duke of Richmond einfach nicht interessiert. Der Unterhalt von Kutschen, angestammte Güter und persönliche Beziehungen entgingen völlig seiner Aufmerksamkeit.
»Ah, da sind wir ja«, rief die Duchess mit unverhohlener Erleichterung. Eine Viertelstunde später saßen sie in Brandons Loge im Theater und waren eifrig damit beschäftigt, die Zuschauerreihen nach Bekannten abzusuchen.
»Seht nur, Lady Endicott ist mit Lady Carrington gekommen – sie haben mir natürlich gesagt, dass sie da sein werden. In der Pause muss ich sie unbedingt in ihrer Loge begrüßen. Und Lord und Lady Brookmore sind auch anwesend. Seht nur, der Prinz von Bayern ist mit dem Marquess und der Marchioness of Winchester da. Sie sind anscheinend schon von ihrer Hochzeitsreise zurück!«
»Miss Harlow ist auch da«, bemerkte Clarissa. Brandon wurde sofort aufmerksam und begann, das Publikum nach ihr abzusuchen.
»In der Tat«, bemerkte Lady Richmond. Ihre Stimme troff vor Verachtung. Brandon blickte sie neugierig von der Seite an.
Clarissa bemerkte hingegen betont lässig: »Ich glaube, ich möchte ihr in der Pause einen Besuch abstatten.«
»Sie steht unter uns, Clarissa«, sagte Lady Richmond, und betonte damit das Offensichtliche.
Interessant war, dass Sophie in der Gunst der Duchess so weit gesunken war. Schließlich war es ursprünglich ihre Idee gewesen, Sophie zu beteiligen. Brandon kannte den Grund für ihren Sinneswandel sehr genau.
Er gab sich keine Mühe, sein Interesse an dieser Frau zu verbergen, wie es sich gehörte. Seine Verlobte war da nicht anders. In diesem Moment blickte Clarissa mit einem strahlenden Lächeln in von Vennigans Richtung.
Man durfte einen Prinzen nicht brüskieren. Eine Zeitungsschreiberin schon.
Trotzdem setzte Brandon seine Suche nach Sophie fort.
Und musste zu seinem Leidwesen erkennen, dass sie nicht allein gekommen war.
Sie war in Begleitung eines Dandys, der sich in eine fuchsiafarbene Weste gehüllt hatte und zahlreiche Ringe an den Fingern trug, die bei jeder seiner Handbewegungen funkelten. Ein eitler Fatzke, das erkannte Brandon sofort. Das Haar war zerzaust, aber vermutlich trug er es absichtlich so und verbrachte Stunden damit, sich zu frisieren. Hatte dieser Mann nichts Besseres zu tun?
Aber für diese Gedanken war kein Platz mehr, als er beobachtete, wie Sophie über eine Bemerkung des Stutzers lachte.
Brandon erhob sich halb aus seinem Sitz, ehe ihm aufging, wie unpassend sein Verhalten war.
»Wollen Sie gehen? Die Vorstellung müsste jeden Augenblick beginnen«, sagte Lady Richmond. Sie senkte erstaunt ihr Opernglas.
»Ich wollte es mir nur gemütlich machen«, sagte er und sank wieder auf seinen Stuhl. Er war kurz davor gewesen, in Sophies Loge zu stürmen und unter dem jämmerlichen Vorwand, sie
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