Lady meines Herzens
hab ich Schmetterlinge im Bauch«, gab Sophie zu. Sie drehte sich zu Alistair um und legte die Hand auf seinen Ärmel.
»Ah, das ist der Beweis wahrer Liebe«, bemerkte Alistair trocken. Sie lachte, doch schon bald verging ihr das Lachen.
»Er ist mit den Richmonds da«, sagte sie verloren.
»Das sehe ich.«
»Er wird immer bei den Richmonds sitzen, wenn er ins Theater geht. Und nie neben mir.« Sie hasste es, sich das einzugestehen. Es war schwierig, der Wahrheit nicht ins Auge zu blicken, wenn man den Beweis direkt vor der Nase hatte und die ganze Welt es ebenfalls sah.
»Männer nehmen doch ständig ihre Mätressen mit ins Theater«, bemerkte Alistair freimütig.
»Alistair … So bin ich nicht. Das würde ich niemals tun!« Sophie riss sich von ihrer Träumerei los und starrte Alistair entsetzt an.
»Tut mir leid, Sophie. So habe ich es nicht gemeint. Ich kenne dich und weiß, dass du dich niemals in so eine Situation verstricken würdest. Und was Lord Brandon betrifft … Ach, ich hab es nicht so gemeint.«
»Er würde nie, nie, nie … Das ist eines der Dinge, die ich so an ihm liebe«, sagte Sophie fest. Es stimmte. Er war der verlässliche, ehrliche Mann, nach dem sie immer gesucht hatte.
»Er ist ein schrecklich aufrichtiger Gentleman«, stimmte Alistair beschwichtigend zu.
Vielleicht ist er sogar zu aufrichtig, dachte sie.
»Wusstest du, dass es den perfekten Augenblick für einen Kuss gab und er mich nicht geküsst hat? Er wollte. Und ich wollte es auch. Aber er ist ein Ehrenmann, und darum ist nichts passiert.«
»Natürlich. Ehrlich, Sophie, ich denke nicht so über dich und ihn. Aber ich habe eben Wainthrope und seine Mätresse gesehen – sie sitzen da vorne auf der linken Seite. Deshalb habe ich gedacht …« Alistair sah sie gequält an. Er schämte sich, weil er sie beleidigt hatte.
»Ich weiß. Es ist nur so, je näher diese Hochzeit rückt, umso nervöser werde ich. Das, was wir haben, ist so elektrisierend, Alistair! Ich empfinde so viel für ihn. Er kann Clarissa einfach nicht heiraten, doch ich sehe auch keinen anderen Ausweg. Verstehst du?«
»Ach, meine Liebe, heutzutage kann doch alles passieren«, sagte Alistair und tätschelte beruhigend ihre Hand.
»Zum Beispiel?«, fragte Sophie. Sie schob sich eine verirrte Strähne hinter das Ohr.
»Lady Clarissa könnte entführt werden oder mit einem Dienstboten weglaufen. Stell dir vor, man bekäme heraus, dass sie ein Baby hat. Er wäre dann geradezu gezwungen , sie zu verstoßen. Du könntest aber auch entdecken, was für ein miserabler Küsser er ist, was deine Begeisterung für ihn spürbar dämpfen würde. Es könnte mal wieder ein großes Feuer geben, bei dem die Hälfte der Londoner Bevölkerung den Tod findet. Es kann alles passieren, Sophie.«
»Du bist albern. Wenn sie mit einem anderen Mann wegläuft, wird es von Vennigan sein und nicht irgendein Lakai«, gab Sophie zurück.
»Ich wollte dich ablenken. Siehst du, es hat hervorragend geklappt. Und jetzt sei still, damit ich meine volle Aufmerksamkeit dem Drama auf der Bühne widmen kann.«
Julianna, die an diesem Abend ein Kleid aus herrlicher, bronzefarbener Seide trug, schlüpfte auf ihren Platz neben Alistair. Gerade noch rechtzeitig, denn im nächsten Moment ging der Vorhang auf, und die Vorstellung begann. Sophie passte nicht auf. Wie konnte sie auch nur eine Sekunde zur Bühne schauen, wenn sich direkt vor ihren Augen ein Drama abspielte, in dem sie eine Hauptrolle innehatte? Der Mann ihrer Träume saß dort drüben in seiner Loge und blickte sie so verlangend, voll mühsam zurückgehaltener Leidenschaft an, als wollte er im nächsten Moment auf sie zustürmen.
Sie reagierte ähnlich auf ihn. Derweil fragte sie sich, wie er ihr so nahe – nämlich da drüben auf der anderen Seite des Zuschauerraums – sein konnte und sie sich ihm trotzdem so schrecklich fern fühlte.
Die Loge, in der Alistair, Julianna und sie an diesem Abend Platz genommen hatten, gehörte ihrem Arbeitgeber, der sie vielleicht schon bald feuerte. Brandon besaß eine eigene Loge. Sie war mit ihren Kollegen gekommen. Brandon saß mit einem Duke, einer Duchess und seiner Verlobten zusammen. Manchmal dachte sie daran, wie viel ihn und sie trennte – seine Verpflichtungen, seine Verlobte, seine Ehre und seine gesellschaftliche Stellung. Dieser Gedanke entmutigte sie. Es war zu viel, was sie trennte.
Es war hoffnungslos.
Statt gestern mit Brandon nach Hause zu spazieren, hätte sie lieber in die
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