Lady meines Herzens
retten zu wollen, einen Streit anzufangen. Als bräuchte sie seine Hilfe.
Als hätte er ein Recht, ihr zur Hilfe zu eilen.
Als säße er nicht neben seiner Verlobten im Kreis ihrer Familie. Als wäre es nicht das Verhalten eines Verrückten. Oder eines Mannes, der sich von seiner Leidenschaft hinreißen ließ.
Er war nichts von alledem. Er war ein Duke und ein zivilisierter Gentleman.
Sophie legte ihre Hand auf den Arm des Mannes – eine Geste der Zuneigung! Sie trug an diesem Abend weiße Satinhandschuhe, die bis an ihre Ellbogen reichten. Brandon wollte ihr die Handschuhe herunterreißen, einen nach dem anderen. Auch das mitternachtsblaue Kleid, das sie trug, würde auf dem Fußboden seines Schlafzimmers viel besser aussehen als an ihrem Leib.
Sie sagte etwas, was ihren Begleiter zum Lachen brachte.
Brandon knurrte beinahe. Er ballte die Hände zu Fäusten. Wenn er nicht aufpasste, verhielt er sich noch wie ein irrationaler, liebestrunkener und unkontrollierbarer Dummkopf. Lächerlich.
»Oh, und da vorne sehe ich Lord und Lady Bickford!«, rief Lady Richmond erfreut.
»Wirklich? Ich wollte mit ihm unbedingt über eine Kreuzung meiner Highlandstuten mit einem seiner Hengste reden«, sagte Richmond.
Es war unerträglich. Die ständige Angeberei, die Pferdezucht und dann noch eine Verlobte, die sich in einen der wenigen Männer auf dieser Welt verliebt hatte, der im Rang über ihm stand – das konnte einfach nicht sein gegenwärtiges Leben sein. Aber es war so.
Und es war zudem seine Zukunft.
Brandon war jedoch kein Mann, der sich beklagte oder sich vor Sehnsucht verzehrte oder gar seine schreckliche Situation betrauerte. Irgendwas musste er unternehmen.
Sophie blickte über die Brüstung ihrer Loge in das Gedränge im Parkett. Sie zählte drei Raufereien und einen Faustkampf. Vier Frauen von eher fragwürdiger Profession gingen ihrem Geschäft nach. Englisches Theaterpublikum war berüchtigt für sein mangelndes Benehmen, um es vorsichtig auszudrücken. Nun, die Aristokraten in ihren Logen wussten sich vielleicht zu benehmen, aber nicht die Leute im Zuschauerraum direkt vor der Bühne.
Alistair Grey war in seiner Funktion als Theaterkritiker der London Weekly ebenfalls anwesend und fungierte an diesem Abend als Sophies Begleiter. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die höheren Ränge. Julianna, die ebenfalls mitgekommen war, trieb sich noch im Theaterfoyer herum und versuchte, ein paar interessante Klatschgeschichten aufzuschnappen.
Heute wurde eine Vorstellung von Die Rivalen gegeben, ein Stück von Sheridan. Ihre Freunde Jocelyn Kemble und Julian Gage spielten die Hauptrollen.
»Dein Duke ist übrigens auch hier, Süße«, bemerkte Alistair.
»Wo?«, fragte sie aufgeregt und blickte sich suchend nach ihm um. Sie hatte ja keine Ahnung, dass er die Vorstellung besuchen würde! Er hatte es gestern während des Spaziergangs nicht erwähnt. Eigentlich hatte er ihr recht wenig erzählt, außer vielleicht, wen er heiraten würde.
»In der Mitte der oberen Logen. Wo sollte ein Duke sonst wohl sitzen?«, antwortete er.
»Oh, ich sehe ihn!« Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Allein das Wissen, dass er hier war, genügte, um dem Abend etwas Zauberhaftes zu verleihen.
»Und er guckt dich an«, sagte Alistair. Der Duke schaute tatsächlich genau in ihre Richtung. »Ich vermute, ihr werdet einander den ganzen Abend schöne Augen machen. Du verpasst das komplette Stück!«
»Ich lese mir einfach deine Kritik durch«, gab Sophie schlagfertig zurück, ohne den Blick von Brandon zu lösen. Selbst auf die Entfernung und über den kompletten, lärmenden Innenraum hinweg übte er eine hypnotisierende Wirkung auf sie aus.
»Willst du damit etwa andeuten, meine Kolumnen seien so interessant, dass sie einen Theaterbesuch ersetzen können?«, fragte Alistair.
»Ja, genau.« Da er seine Kolumne erwähnte, musste sie unwillkürlich an ihre eigene denken und daran, dass diese vielleicht nicht mehr allzu lange existieren würde. Sie starrte zu dem Mann hinüber, der unter Umständen den Niedergang von Miss Harlows Leben in besseren Kreisen besiegelte.
Aber daran wollte sie nicht denken.
»Du bist wirklich unglaublich verknallt«, verkündete Alistair.
»Er sieht so gut aus«, sagte Sophie mit einem Seufzen. Alistair richtete sein Opernglas auf den Duke und antwortete nach einem kurzen Zögern. »Stimmt.«
Der Duke of Hamilton and Brandon war allem Anschein nach unglaublich attraktiv.
»In seiner Nähe
Weitere Kostenlose Bücher