Lady meines Herzens
sie durch Bloomsbury spazierten, entspannte Sophie sich. Es waren viele Fußgänger unterwegs, und in dem Gewimmel fielen sie kaum auf.
»Ja, nachdem ich heute schon eine lange Parlamentsdebatte über mich ergehen ließ«, antwortete er. Sie freute sich, weil sie ihn inzwischen so gut kannte. Die drohende Trennung war deshalb allerdings nur schwerer zu ertragen.
»Welche wichtigen Staatsangelegenheiten wurden denn heute verhandelt?«, fragte sie. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um über ihre aktuelle Situation zu diskutieren. Nicht auf einem kleinen Spaziergang an einem herrlichen Sommertag.
»Die Ehegesetze«, sagte er und verzog das Gesicht.
»Man kann dem Thema einfach nicht entkommen, nicht wahr? Überall sieht man nur Hochzeiten und Ehen«, sagte Sophie. Im Stillen stimmte sie ein kleines Lied an, das ihr spontan einfiel: Hochzeit, Hochzeit überall, kein Bräutigam für mich dabei.
» Verdammt«,fluchte Brandon und blieb plötzlich stehen. Ein Fußgänger knurrte unwillig, weil er auf Brandon auflief. Sie drehte sich zu Brandon um und schaute ihn verblüfft an.
»Ach! Jetzt fluchen Sie sogar schon in Gegenwart einer Dame!«, schalt Sophie ihn. »Ich bin schockiert. Aber sagen Sie ruhig, was Sie gerade zu dieser unangemessenen Äußerung verleitet hat.«
»Ich wollte heute noch beim Erzbischof vorsprechen wegen der Sondergenehmigung«, antwortete Brandon.
Ihr Herz sank. Er wollte zum Erzbischof. Das konnte nur bedeuten, dass er noch immer vorhatte, Clarissa zu heiraten. Trotzdem war er gerade nicht im Palast des Erzbischofs, sondern spazierte mit ihr durch London.
Wie um alles in der Welt sollte eine Frau da wissen, was er wollte? Sie öffnete den Mund und wollte schon eine Erklärung von ihm verlangen, aber er kam ihr zuvor.
»Stattdessen habe ich mir im Club einen Drink genehmigt«, gab er zu.
»Das ist aber ein liederlicher Lebenswandel«, neckte Sophie ihn. Sie spürte, dass ein ernstes Gespräch in der Luft lag, doch sie war noch nicht bereit für den daraus resultierenden Liebeskummer.
»Das ist ein völlig neuer Zug an mir«, erklärte Brandon.
»Ich mag den neuen Brandon. Den alten aber auch«, fügte Sophie hinzu. Sie blieben an einer Kreuzung stehen, über die in dichter Folge Kutschen ratterten.
Brandon umfasste behutsam ihren Arm, um sie zurückzuhalten. Sie fühlte sich an ihre erste Begegnung erinnert und fragte sich, ob sie darauf zählen konnte, auch ein zweites Mal von ihm gerettet zu werden. Wenn sie ihre Kolumne verlor, beispielsweise. Schließlich wäre er indirekt nicht ganz unschuldig daran.
Als die Straße frei war, ließ Brandon sie los. Er bot einer älteren Dame den Arm und half ihr über die Straße. Er war also nicht völlig verdorben, sondern immer noch ein guter Mann.
»Was führte Sie in diesen Teil der Stadt?«, fragte Brandon, nachdem die ältere Dame ihm wortreich gedankt und in einem Geschäft verschwunden war.
»Die Anprobe für ein Hochzeitskleid«, sagte sie schlicht. Sie beobachtete aufmerksam seine Reaktion, als könnte diese ihr etwas über seine Absichten verraten.
»Faszinierend«, bemerkte Brandon trocken. Sie begriff, dass er nicht darüber reden wollte. Das wollte sie auch nicht, aber sie wünschte, sie könnte wenigstens aufhören, daran zu denken!
»Eigentlich nicht«, erwiderte Sophie. »Obwohl ich mir gern all die schönen Kleider in Madame Auteuils Atelier anschaue. Ich würde viel lieber über Mode statt über Hochzeiten schreiben, aber Mr Knightly wird das nicht erlauben.«
»Haben Sie ihn gefragt?«
»Noch nicht. Meine Kolumnen sind so beliebt, es wäre ein Fehler, sie nicht fortzusetzen. Aber allmählich verliere ich die Geduld mit den Hochzeiten anderer Leute.« Und es war seine Hochzeit, die zu viel war. Das könnte ihr Ende bedeuten. Das Ende ihrer Kolumne und ihrer Schreibkarriere.
Sophie kaute nervös auf ihrer Unterlippe. Sie mochte es nicht, an Hochzeiten teilzunehmen, aber alles andere, was ihr Job mit sich brachte, mochte sie sehr. Sie liebte das Gefühl, nützlich zu sein, und ihre Arbeit befriedigte sie. Die Schreibenden Fräulein waren ihre besten Freundinnen, und sie respektierte Mr Knightly. Es war wunderbar, Teil von etwas Großem zu sein. Sogar das Schreiben machte ihr Spaß – es sei denn, sie musste über ganz bestimmte Hochzeiten berichten.
»Und was ist mit einer eigenen Hochzeit, Sophie?«, fragte Brandon. Er blickte sie an. Sophie lächelte leise und widerstand dem Drang, ihm zu sagen: »Ich weiß es
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