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Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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wo Marcel die Sprudelflasche abgestellt hatte. Sie drehte den Schraubverschluss auf und schüttete sich das Mineralwasser über den Kopf. Es tat ungeheuerlich gut.
    »Du bist verrückt«, sagte Marcel. »Crazy.«
    Terry stellte die Flasche auf dem Tresen ab. Sie lachte leise. Dann griff sie in ihre Hosentasche und holte einige Münzen heraus. Es dauerte eine Zeit, bis sie ausgerechnet hatte, wie viel eine Cola und eine halbe Flasche Mineralwasser ungefähr kosteten. Da die Münzen nicht reichten, kramte sie in aller Ruhe nach Papiergeld, zählte die lappigen Scheine ab und legte das Geld auf die Bar.
    An Marcel vorbei ging sie hinaus. Die Stadt erwachte langsam aus ihrem Mittagsschlaf.
    Terry ging zum Hafen. Sie war ziemlich nass geworden. Nah an der Hafeneinfahrt legte sie sich lang auf die Mole. Sie schloss die Augen und ließ sich von der Sonne trocknen.
    Die Erinnerung Terrys an ihren Vater war wie ein Traum. Sie wusste nicht, ob sich die Bilder, die sich in ihrem Kopf bewegten, tatsächlich ereignet hatten oder ob man es ihr erzählt hatte. Aber da das Thema C. W. Burger tabu war, ging Terry davon aus, dass die Szenen in ihrem Gedächtnis echt waren. Sie konnte sich das Gesicht ihres Vaters nicht richtig vorstellen. Sie hatte nur das alte Foto von ihm. In ihren Gedanken war der Vater seltsamerweise gesichtslos.
    Terry erinnerte sich an einen Kirmesbesuch. Sie war allein mit ihrem Vater dort gewesen. Er hatte für sie Zuckerwatte gekauft und sie auf den Schultern durch die Menge getragen, so dass sie über den Köpfen der Leute schwebte. Sie hatte den stärksten Vater der Welt.
    An einer Losbude hatte Terry sich in den rosaroten Panther verliebt und der Vater kaufte den Inhalt eines frisch gefüllten Loseimers auf. Sie öffneten nacheinander die Lose, bis sie auf den Hauptgewinn stießen und Terry den rosaroten Panther in den Armen hielt.
    Zu Hause hatte es dann Geschrei gegeben. Dann und immer, eigentlich. In solchen Momenten hatte Lieschen Terry zu sich genommen. Von Lieschens Wohnung aus konnte sie den Krach weiter anhören. Sie saßen beide still da, Lieschen im blumengeschmückten Hochlehnsessel und Terry daneben auf dem lederbezogenen Esszimmerstuhl. Lieschen sagte kein Wort. Wenn es still wurde, nebenan, war Lieschen nervös. Sie schob sich die Nagelhaut ihrer Finger weit zurück und hoch, so dass es aussah, als kämen die Nägel aus kleinen Höhlen. Erst wenn sie die Eingangstür hörten, die von nebenan, weil der Vater die Wohnung verlassen hatte, oder Lieschens Flurtüre, als die Mutter nach einer Weile herüberkam, seufzte Lieschen auf. Und obwohl Lieschen Terry nicht eigentlich tröstete, war sie froh, Lieschen neben sich zu haben. Terry erinnerte sich, dass es ein gutes Gefühl gewesen war. Geweint hatte Terry niemals. Sie wusste nicht, ob sie überhaupt jemals geweint hatte. Sie hatte noch nie jemanden aus ihrer Familie richtig weinen gesehen.
    Der Vater hatte aufgehört, die Mutter Darling zu nennen. Schließlich war er nicht nur aus der Wohnung gelaufen, sondern hatte sie ganz verlassen. Anfangs hatte er Terry noch Pakete geschickt, zu Weihnachten und zum Geburtstag. Es waren riesige, bunte Stoffdinger drin gewesen, Bären und Puppen und Phantasiegestalten, die Terry neben ihrem rosaroten Panther auf dem Bett platzierte und die das Zimmer übervölkert erscheinen ließen.
    Die Mutter hatte eines Tages in einer Art Anfall alles vernichtet, einschließlich des rosaroten Panthers. Sie hatte mit einer Schere alle Stoffwesen ermordet. Schaumstoff war herausgequollen und hatte sich über das Zimmer verteilt und war schließlich überall herumgeflogen, als die Mutter begann, Plastiktüten mit den Stoffleichen zu füllen. Es sollte das Ende von C. W. Burger sein und Terry hatte auch tatsächlich nie mehr was von ihm gehört.
    Schlagartig hatte es keine Pakete mehr gegeben, nicht das geringste Lebenszeichen.
    Die Mutter aber war Terry seit der Sache, der Terry unbeweglich zugesehen hatte, ausgewichen, und Terry fing an, ihre Mutter zu quälen. Es machte ihr Spaß, sie konnte nie genug davon kriegen, und die Mutter konnte sich nicht wehren, irgendwie konnte sie das nicht.
    Terry hatte vorher schon das Foto ergattert. Davon wusste die Mutter nichts. Sie hatte wohl angenommen, dass Lieschen es mit den Scherben des Bilderrahmens in den Kehricht geworfen hatte. Aber auf Terry hatte keiner geachtet. Sie hatte, nachdem die Mutter das Bild vom Schreibtisch genommen und auf die Erde geknallt hatte, das Foto

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