Lady Punk - Roman
an das Geld ihrer Mutter gegangen, es hatte deswegen nie Probleme gegeben, es würde aber welche geben, wenn Terry erzählte, warum sie das Geld gebraucht hatte. Lieber hielt sie den Mund und eins mehr auf Onkel Hugos Konto schadete nichts.
»Das Schlimmste ist«, sagte die Mutter, »dass er uns hier sitzen ließ, mitten in Italien. Wir haben niemanden, der uns nach Hause fährt.«
Die Mutter konnte Auto fahren, selbstverständlich, aber genauso selbstverständlich zog sie es vor, sich fahren zu lassen. Und Lieschen auf der Autobahn würde durch ihr Schneckentempo einen Skandal verursachen.
»Ich hätte das alles nicht gedacht«, sagte die Mutter. »Nicht nach diesen Jahren. Und wenn es nur nicht so billig gewesen wäre.«
Terry konnte die Augen der Mutter nicht sehen. Sie blickte aber sicherlich niemanden an. Es war ein Selbstgespräch, das sie besser tatsächlich mit sich selber führen sollte. Es interessierte keinen.
»Und dann bekomme ich noch Vorwürfe zu hören. Die ganze Zeit hat er faktisch von meinem Geld gelebt, und wenn ich wegen ein paar Münzen an sein Portemonnaie gehe, heißt es, ich schnüffel herum. Was für ein Ausdruck. Er ist so ordinär, dass ich froh sein sollte, dass er weg ist.«
Lieschen nippte zum letzten Mal an ihrem leeren Glas. »Halt den Mund, Christa«, sagte sie schließlich. »Halt um Gottes willen deinen Mund.«
Die Mutter schien einen Moment lang erschrocken. Aber sie musste immer das letzte Wort haben. »Wenn einen noch nicht einmal die eigene Familie versteht«, sagte sie.
Und dann stand Lieschen auf und ging in ihr Zimmer, das sie bis zum späten Nachmittag nicht mehr verlassen sollte.
Die Mutter war unruhig. Sie kratzte mit dem Mittelfinger einer Hand den Lack auf den Nägeln der anderen ab. Sie stand von ihrem Terrassenstuhl auf und ging bis zur Gartenmauer. Dort stand sie ein paar Sekunden und sah hinunter auf das Dorf.
Terry betrachtete die Mutter. Es war herrlich, sie so nervös zu sehen. Terry fühlte sich ein bisschen wie eine Spinne, der etwas ins Netz gegangen war. Die Mutter zappelte und zappelte und kam nicht frei.
Terry verspürte einen mächtigen Hunger. Aber sie hatte das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn sie jetzt in den Ort ging. So entschloss sie sich, in der Küche nach etwas Essbarem zu suchen. Es gab ein paar Stangen Salzgebäck, die ihre Esslust nur noch verstärkten. Terry öffnete eine Dose Ölsardinen und fischte die kleinen Sardinen mit den Fingern heraus. Sie steckte sie in den Mund und schluckte sie ganz herunter. Terry hatte sich immer vor Ölsardinen geekelt. Es war fast das Einzige, das sie grundsätzlich nicht aß, aber sie war wirklich in Not geraten und wollte ihren Magen betäuben.
Es tat sich rein gar nichts. Es hätte so ein friedlicher Tag sein können, mit vollem Triumph für Terry. Aber auch in ihr stellte sich ein unbehagliches Gefühl ein, das sie auf den Genuss dieser Ölsardinen zurückführte. Sie hatte keine große Wahl, sie musste ins Dorf und eine anständige Pizza essen oder sonst was Gutes.
Terry machte sich schön. Ihr Haar war getrocknet, der Kaftan allerdings nicht. Er war stattdessen verknittert, so dass Terry sich umziehen musste. Sie dachte an gestern Abend, an dieses wunderbare Gefühl, das den ganzen Abend lang gehalten hatte. Sie bürstete die Haare durch und hinüber auf eine Seite, um den Ohrring zu zeigen, den sie auch heute anlegen wollte. Es war so, als ob sie alles noch einmal erleben würde.
Sie trug jetzt weiches Leder, ockergefleckt mit kunstvoll geschnittenen Löchern. Es sollte ein bisschen so aussehen, als ob sie aus dem Dschungel kam, ein bisschen zerrupft, ein bisschen verarmt und sehr, sehr verführerisch. Sie fand es okay, dass sie sich all die Sachen leisten konnte. Sie hatte immer auf Verdacht gekauft, Dinge, die sie mochte und irgendwann einmal zum Einsatz bringen wollte. Es war nie ein Problem gewesen, sicher nicht, Lieschen hatte bezahlt, wie sie alles zahlte, selbst die Männer neben der Mutter, also Onkel Hugo oder sonst wen vorher.
Es war Lieschens Lebensweisheit, dass man mit Geld die Dinge in Ordnung bringen und die Leute an sich halten konnte. Irgendwie hatte es auch funktioniert, und Terry sah nichts Falsches daran, danach zu leben. Lieschen hatte es unterstützt. Es war okay gewesen, bis diesen Sommer noch was dazugekommen war, dieses eigenartige Gefühl in Terry, diese Weichheit in ihr, diese Wärme, dieses Schweben-Wollen, das manchmal stärker war als die Esslust in ihr und
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