Lady Sunshine und Mister Moon
einmal fühlte sie sich merkwürdig nervös, als ob ihr übel wäre. Trotzdem … Nachdem Carly einige Minuten schwer mit sich selbst gekämpft hatte, wusste sie, was sie zu tun hatte.
Sie wischte sich die feuchten Handflächen an der Rückseite ihrer Shorts trocken, ging zu Mrs. Hernandez hinüber und zog sie beiseite.
Als Wolf an jenem Nachmittag um fünf Uhr nach Hause kam, war er vollkommen erschossen. Alles, was er wollte, war ein kaltes Bier und fünf Minuten Ruhe.
„Hallo.“ Niklaus empfing ihn auf Zehenspitzen wippend an der Tür. „Du bist spät dran.“
„Tut mir leid.“ Das schlechte Gewissen meldete sich; er war an seinem freien Tag zur Arbeit gegangen. Gefolgt von seinem Neffen marschierte Wolf in Richtung Küche. „Ich wollte eigentlich vor dir zu Hause sein, aber ich hatte nicht mit dem Unfall auf dem Decatur Boulevard gerechnet.“ Er nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank, öffnete die Flasche und nahm einen großen Schluck. Danach betrachtete er seinen Neffen. „Wie war dein Tag?“
„Ganz gut.“ Niklaus deutete auf den Flur, der ins Schlafzimmer führte. „Du musst dich noch umziehen. Carly wird in ungefähr fünfzehn Minuten hier sein.“
„Carly?“ Wolf ließ die Flasche sinken und fühlte sich plötzlich sehr unwohl. „Sie kommt hierher?“
„Ja. Ich habe sie zum Abendessen eingeladen. Los. Zieh dich um. Zieh dasselbe an wie gestern. Ich glaube, das hat ihr gefallen.“
Nein! Sie konnte nicht herkommen! Er musste sich entspannen. Ausruhen. Kraft tanken. Er brauchte auf keinen Fall die nervenaufreibende Anwesenheit eines gewissen geschmeidigen Showgirls.
Außer …
Vorfreude spiegelte sich in Niklaus’ Lächeln. Und als er sich umsah, entdeckte Wolf, dass sein Neffe bereits die Wohnung aufgeräumt und den Tisch gedeckt hatte. In der Mitte des Tisches standen sogar eine Kerze in einem gläsernen Kerzenhalter, Salz- und Pfeffermühle und ein Serviettenhalter, von dem Wolf nicht einmal gewusst hatte, dass er ihn besaß.
Er stöhnte und fuhr sich erschlagen mit der Hand durchs Haar. „In Ordnung, ich ziehe mich um. Aber diese ausgewaschene Jeans zieh ich nicht mehr an.“ Schlimm genug, dass er sich gestern bei der Party damit hatte sehen lassen.
„Wie auch immer. Aber weg mit der Krawatte! Es soll ein lässiger Abend werden, und eine Krawatte sagt nicht gerade: ‚nachbarschaftlich.‘„
„Ich wusste nicht einmal, dass eine Krawatte sprechen kann. Wenn sie nicht ‚nachbarschaftlich‘ sagt, was denn dann?“
Niklaus grinste. „Buchhalter? Bestatter? Du kannst es dir aussuchen.“
„Ich glaube, ich passe.“ Kopfschüttelnd entfernte sich Wolf durch den Flur in Richtung Schlafzimmer, wo er seine Schuhe von sich schleuderte, sein Jackett in den Schrank hängte und seine gesprächige Krawatte weglegte. Dann ließ er sich aufs Bett fallen und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Kopfende. Er streckte die Beine aus und trank in aller Seelenruhe sein Bier aus.
Nach dem letzten Schluck erhob er sich und schlüpfte in eine leichte Sommerhose. Er blieb im weißen Hemd aus ägyptischer Baumwolle, öffnete aber die oberen Knöpfe und rollte die Ärmel bis zum Ellbogen auf. Ungefähr drei Sekunden lang zog er in Erwägung, sich noch einmal zu rasieren, ließ es dann aber doch bleiben. Scheiß drauf. Das war schließlich keine Verabredung. Warum hatte er Dan nur nicht abgesagt, als dieser ihn um ein bis zwei Stündchen seiner Zeit gebeten hatte? Dann hätte Wolf mit Gina Kontakt aufgenommen. Und wäre jetzt entspannt genug, um mit diesem elenden Abendessen klarzukommen. Was zum Teufel hatte sich Nik nur dabei gedacht?
Zwei Minuten, bevor Carly kommen sollte, gesellte Wolf sich zu Nik ins Wohnzimmer. Kaum eine Viertelstunde später begann der, ihn alle zwei Sekunden nach der Uhrzeit zu fragen. Nach weiteren zehn Minuten wanderte der Junge schließlich im Flur auf und ab, während Wolf sich große Mühe gab, sein kleines Nickerchen vor seinem Neffen zu verbergen, damit der sich nicht noch mehr aufregte.
„Wo bleibt sie nur?“, fragte Niklaus unruhig, nachdem er erneut nach der Uhrzeit gefragt hatte. „Sie hätte vor einer halben Stunde hier sein sollen.“ Er blickte unsicher auf die Wohnungstür. „Vielleicht sollte ich mal nachsehen, was sie aufhält.“
„Du kümmerst dich ums Abendessen“, sagte Wolf, der sich gleichzeitig fragte, weshalb es überhaupt nicht nach Essen roch. Doch er schob diesen Gedanken gleich wieder beiseite. „Ich sehe mal nach.“
Die Tür
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