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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Tomatensuppe essen, da sollten auch wir uns zurückhalten und sie nicht in Versuchung führen«, sage ich streng. »Heute essen wir alle etwas Einfaches! Ich werde mir rote Tagliatelle mit Mozarella bestellen.«
    Die Studenten sehen mich enttäuscht an, nicken gehorsam und versenken sich erneut in die verlockenden Angebote.
    »Na gut«, sage ich plötzlich und überwinde einen Anflug von Geiz, »wenn ihr uns beibringt, wie man ein Handy bedient, könnt ihr euch nach Lust und Laune etwas aussuchen.«
    Und so kommt es, daß Anneliese ihr Süppchen schlürft, ich meine Nudeln esse und die Jeunesse dorée sich für ein komplettes Menü entscheidet:

Lauch-Kartoffelcremesuppe mit Fischnockerln und Trüffelöl
    Gratiniertes Milchkalb mit Kürbispüree und zweierlei Sellerie
    Traubensüppchen mit Sabayoneis
     
    Da es Anneliese anscheinend ganz gutgeht, beschließen wir, am nächsten Tag weiterzufahren. Aber zu guter Letzt meldet sie doch noch Bedenken an.
    »Ins Elsaß wollte ich ja eigentlich nur, um dort zu schlemmen. Wenn ich das in den nächsten Tagen sowieso nicht darf, können wir auch gleich nach Norddeutschland fahren und uns von Bratkartoffeln mit Hering ernähren.«
    Ich horche auf. Will meine Freundin unseren Urlaub verkürzen? Der unsichtbare Ewald ist auf dieser Reise immer dabei, er schläft zwischen Anneliese und mir in der Besucherritze und stört uns alle beide.
    In dieser Nacht erscheint er mir sogar in einem merkwürdigen Traum: Wie auf dem Gemälde von Caspar David Friedrich stehen drei Figuren am Abgrund einer bizarren Kreidelandschaft, die aber die irreale Farbe des Blautopfs angenommen hat. Ewald deutet in die Tiefe und sagt mit seiner unnachahmlichen Altherren-Galanterie: Die holde Weiblichkeit hat stets den Vortritt!
    Eine ganze Weile lang liege ich wach und grüble, was dieser Traum bedeuten könnte. Eigentlich hat ja Ewald allen Grund, Anneliese und mir nach dem Leben zu trachten, denn wir wissen über Bernadettes Tod Bescheid und könnten ihn erpressen. Oder sind solche Befürchtungen aus der Luft gegriffen? Aus dem Bett nebenan kommt just in diesem Augenblick ein tiefes Stöhnen.
     
    Am nächsten Morgen sind die Schatten der Nacht zwar vergessen, aber es regnet in Strömen.
    »Hat einer von euch den Wetterbericht gehört?« fragt Anneliese, denn auch das gehört zu den Pflichten unserer Reisebegleiter. Beide Handys liegen auf dem Frühstückstisch bereit.
    »Das Tief aus Skandinavien hat uns heute erreicht; hier im Süden wird es die nächsten Tage leider so bleiben«, referiert Ricarda bekümmert. »Im Norden soll es dafür sonnig, aber auch windig werden.«
    »Dann ist doch alles klar«, sagt Anneliese. »Auf nach Sylt!«
    Doch zuvor will sie sich noch das Mobiltelefon erklären lassen und wird enttäuscht. Moritz stellt fest, daß die Pin-Karte fehlt und das Handy gar nicht angemeldet ist. Gemeinsam mit seiner Freundin begibt er sich noch rasch zu einer Telekom-Filiale, um die Sache in Ordnung zu bringen.

Eine Stunde später sitzen wir im Auto, die Scheibenwischer rotieren mit einem häßlich schabenden Geräusch.
    Anneliese läßt sich durch das schlechte Wetter nicht die Petersilie verhageln. Sie fängt an zu singen, und wir fallen ein. Zu meiner Verwunderung kennt Ricarda alle Strophen von Hoch auf dem gelben Wagen . Draußen pladdert der Regen, doch drinnen im Auto ist es gemütlich. Nach einigen Gesangseinlagen ziehen wir unsere neuen Handys heraus und üben; obwohl wir direkt nebeneinander hocken, schicken wir uns eine SMS nach der anderen.
    Dann probiere ich es mit einem Anruf bei Rudi. »Ich höre dich kaum, wo bist du denn?« fragt er.
    »So etwa am Frankfurter Kreuz«, antworte ich, »wir sitzen im Auto und sind auf dem Weg nach Sylt.«
    »Dann wird es höchste Zeit für eine Kaffeepause in Wiesbaden«, sagt er, »bei so einem Wetter jagt man keinen Hund vor die Tür, geschweige denn zwei alte Ladies!«

19
    Ein bißchen wehmütig bin ich schon, als ich in Wiesbaden meinen ehemaligen Laden, Die Goldgrube , betrete. Mein erster Gedanke gilt meinem aufrichtig geliebten Percy, dem ich soviel verdanke. Ohne ihn hätte ich kaum noch relativ spät und erfolgreich einen Beruf ausgeübt, ohne ihn könnte ich es mir nicht leisten, für unsere kleine Reisegruppe die Mäzenin zu spielen.
    Rudi ist etwas überrascht, als außer Anneliese und mir noch zwei junge Leute aus dem Auto steigen. »Deine Enkel?« fragt er meine Freundin, die gekränkt den Kopf schüttelt. Die Tochter von Annelieses

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