Ladys Zirkel: Die Fotografin (German Edition)
allerdings wie angegossen über dem eng anliegenden weißen Shirt und war mit verschiedensten Farben besprenkelt. In der Hand trug er einen großen Werkzeugkasten.
„Hi“ begrüßte er sie und sah sich erstm al um. „Du hast ja schon ein bisschen geschafft“ bemerkte er und fühlte nebenbei mit aufgelegter Hand prüfend das Gemäuer. Er sah Lindas skeptischen, verzweifelten Gesichtsausdruck und ruderte etwas zurück: „oh, geht wohl doch nicht so gut von der Hand, was?“ fragte er vorsichtig. „Warte mal“ meinte er beruhigend „am Besten geht es, wenn man die Tapeten anfeuchtet und mit einer großen Nadelrolle löchert. Du hast wohl noch nicht so oft renoviert, oder“? fragte er belustigt. Linda schüttelte den Kopf und ließ entmutigt die Hände sinken.
„Warte , das bekommen wir schon hin. Ich zeige dir, wie es einfacher ist. Ich habe so eine Rolle dabei und noch ein paar andere Sachen. Ich hole erstmal alles herein“.
Damit verschwand er wieder durch die Tür und ve rkeilte sie mit einem Holzstück damit sie offen blieb. Dann brachte er verschiedene Säcke herein und ein paar Eimer mit Werkzeug, darunter auch besagte Nadelrolle. Und auch ein paar Farbdosen und -eimer, die seinen Worten nach schon geöffnet waren, aber vielleicht ließ sich damit noch was anfangen. Während er so emsig war, konnte Linda ihn nur staunend beobachten.
Erst jetzt, als sie in so betrachtete, fiel ihr auf, dass sie ihn noch gar nicht bewusst angesehen hatte. Sein Gesicht ließ sein richtiges Alter nur schwer schätzen. Mal wirkte er frisch wie ein Junge und dann wieder reif wie ein gestandener Mann. Er hatte ein männliches Aussehen mit kleinen, etwas tiefer liegenden Augen. Das verlieh ihm ein hartes und reifes Aussehen. Aufgelockert wurde es durch eher rundliche Wangen, die ihm Jugendlichkeit ins Gesicht zauberten.
Das Gleiche setzte sich auch an seinem Körper fort. Arme, Beine und Brust sahen stark und muskulös aus, allerdings zeichnete sich unter dem engen Blaumann ein leichter Bauchansatz ab. Dank seiner Größe, die Linda auf gut 1,85 Meter schätzte, machte ihn das nicht dick, sondern verlieh ihm eine kräftige, etwas gemütliche Stattlichkeit. Unter dem Stoff des weißen Shirts konnte Linda gut trainierte Muskelpakete erkennen. „Gut zum renovieren“ entschuldigte sie sich bei sich selbst für ihr Interesse an seinem Aussehen.
Die nächsten Abende verbrachten Linda und Sophie in dem sich verwandelnden Geschäft. Linda auch die meisten Ta ge, unterbrochen nur, um Sophie von der Schule abzuholen und mit etwas Nahrhaften zu versorgen. An manchen Tagen konnte Sophie bei einer Klassenkameradin schlafen. Doch Sophie fand es unheimlich spannend auf der Baustelle. Damit sie ihre Hausaufgaben ordentlich machen konnte, hatte Nils ihr einen improvisierten Schreibtisch aus Kisten gebastelt. Und zwischen Wände spachteln, Türzargen abschmirgeln und PVC Böden herausreißen, konnten Linda und auch Nils ihr immer wieder zwischendurch über die Schulter schauen und ihr bei schwierigen Hausaufgaben helfen. Natürlich wollte Sophie auch mithelfen. So zeigte Nils ihr geduldig, wie man einen Spachtel oder eine Malerrolle hält und zusammen beratschlagten sie über die optimale Farbwahl für die Wände. Die richtig schmutzigen Arbeiten, wie das Lackieren der Zargen und das Abschleifen des Holzfußbodens, wofür Nils sich extra Urlaub nahm, verlegten sie auf die Zeit, wo Sophie in der Schule war. Sie sollte den Dämpfen und dem Staub nicht ausgesetzt sein. Aber natürlich hatte Linda auch an Atemschutz gedacht.
An dem Abend, als der Boden geschliffen werden sollte, brachte Nils ein aus dem Werkzeugverleih gemietetes Parkettschleifgerät mit und Linda Einwegstaubmasken, die Sophie liebevoll mit Gesichtern bemalt hatte. Bis spät in den Abend, Sophie war glücklicherweise bei ihrer Freundin untergebracht, mühten sie sich mit dem Schleifmonstrum ab. Nachdem das Holz genug Schliff bekommen hatte, wollten sie es noch mit Öl versiegeln, daraus wurde allerdings eine Nachtaktion. Sie hatten aus Kostengründen auf eine Poliermaschine verzichtet. Doch wie anstrengend das Verteilen und Einpolieren des Leinöls in das Holz sein würde, hatten sie beide unterschätzt. Dabei hatten sie eine gute Technik entwickelt. Linda goss das Öl aus dem Behälter auf das Holz und Nils verteilte es mit einem aus Besen und Baumwolllappen gebastelten Wischer. Doch Einarbeiten mussten sie das Öl auf den Knien hockend per Hand mit einem Lappen. Noch dazu
Weitere Kostenlose Bücher