Laennaeus, Olle
alles,
was sonst noch anfällt. Von irgendwas muss man ja leben.»
«Du bist also wieder hergezogen ...?»
«Ja, obwohl ich auch zu denen gehörte,
die es hier nicht mehr aushielten. Aber das ist eine andere Geschichte. Erzähl mal
von dir.»
Konrad ignoriert ihre Aufforderung
und wiederholt stattdessen: «Es war so eigenartig. In Hermans und Signes Haus.
Als ob man in ein Museum käme.»
«In dem eine Ausstellung über deine
Kindheit gezeigt wird?»
«Ja, so in etwa ...»
«Wie lange bleibst du?»
«Weiß nicht. Im Augenblick ist alles
etwas stressig hier», sagt er ausweichend.
Sie rümpft die Nase. Konrad kann nicht
einschätzen, ob aus Verachtung oder aus einer Art Ungeduld. Jetzt ist sie jedenfalls
ernst. Dann beginnt sie mit den Augen zu flackern, als mache sie einen Ansatz zu
gehen. Konrad merkt, dass er sie aufhalten will, und fragt: «Bist du eigentlich
verheiratet?»
Sie wirft den Kopf nach hinten und
bricht in schallendes Gelächter aus. Konrad starrt verwirrt auf ihren weißen Hals.
«Na ja, ich meine, ob du Familie und
Kinder hast und so ...»
«Entschuldige, aber es klang so komisch.
Fast, als ob du zu einem Heiratsantrag ansetzen wolltest.»
Sie lacht zu Ende und wischt sich dann
mit einer Serviette die Tränen aus den Augenwinkeln.
Konrad schüttelt verlegen den Kopf.
Er spürt, dass er so rot wird wie schon lange nicht mehr.
«Ich versuch nur, mich mit dir zu unterhalten.»
Gertrud tätschelt ihm aufmunternd die
Hand.
«Ich bin auch nicht gerade gut darin.»
Man hört ein schabendes Geräusch von
Stuhlbeinen auf dem Fußboden und ein Klirren von Besteck und Geschirr, als der Schlagersummer
seinen Stuhl zurückschiebt, sich dabei die Knie am Tisch stößt und schließlich auf
die Füße kommt. Er ist lang wie eine Bohnenstange und schaut sich verlegen um. Lächelt
dann Gertrud an.
«Danke fürs Frühstück. Bis morgen,
Kleine!», trällert er und spaziert aus dem Speisesaal.
Sie lächelt fröhlich zurück und winkt.
Folgt ihm mit dem Blick bis zur Tür, bevor sie sich wieder Konrad zuwendet.
«Unser treuester Stammgast. Er frühstückt
hier jeden Morgen. Ist Sänger bei . Sie hatten in den Siebzigern
einen Hit in den Top Ten. Ich glaub fast, er ist ein bisschen verliebt in mich ...»
«Oha ...»
Dann fragt Gertrud unvermittelt und
ohne die geringste Andeutung von Lachfältchen unter den Augen: «Hast du denn in
der Zwischenzeit gar keinen Kontakt zu ihnen gehabt?»
«Du meinst...?»
«Zu Herman und Signe natürlich!»
Er schüttelt den Kopf und beeilt sich,
eine Erklärung hinterherzuschieben.
«Du weißt ja, ich war noch ziemlich
jung, als ich abgehauen bin. Hatte keinen Bock mehr. Dann ist 'ne Menge passiert,
und die Jahre sind vergangen. Und plötzlich war einfach zu viel Zeit vergangen,
um noch von sich hören zu lassen.»
Konrad hört selbst, wie hohl seine
Worte klingen. Aber ihm fällt nichts Besseres ein. Sie nimmt es hin.
«Inzwischen hat sich hier 'ne Menge
geändert», sagt sie.
Als er gerade fragen will, was sie
damit meint, klingelt draußen in der Rezeption das Telefon. Gertrud sieht aus, als
erwäge sie, es einfach klingeln zu lassen, steht dann aber mit irritierter Miene
auf und läuft hinaus in die Lobby. Er hört sie telefonieren. Ihre Stimme klingt
angenehm. Weiche, abgerundete Vokale und Konsonanten, die in den Ohren kitzeln.
Als sie auflegt, kommen drei Männer
die Treppe vom Obergeschoss herunter. Konrad sieht sie nur flüchtig durch die Türöffnung,
während ein starker Geruch nach Rasierwasser in den Speisesaal strömt und sich
mit dem Bratengeruch mischt. Offensichtlich wollen sie auschecken. Er hört, wie
Gertrud mit ihnen scherzt.
Konrad entscheidet sich, vom Frühstückstisch
aufzustehen. Nicht, dass er einen Termin einzuhalten hätte oder gar wüsste, wohin
er will. Aber in seinen Beinen beginnt es zu kribbeln, und er verspürt den Drang,
sich zu bewegen.
Die drei Männer stecken die Kreditkarten
wieder in ihre Brieftaschen und rollen ihre Reisetaschen in Richtung des Ausgangs
zum Marktplatz.
«Konrad!», hält ihn Gertruds Stimme
zurück, als er sich gerade hinausschleichen will.
Er bleibt unmittelbar stehen.
«Ja?»
«Willst du denn gar nicht nach Sven
fragen?»
Konrad ist nicht überrascht. Er weiß
genau wie sie, dass die Frage unausweichlich ist. Aber er will noch warten. Noch
ist er nicht bereit dafür.
«Später, Gertrud. Ich würde gern etwas
später nach Sven fragen.»
Plötzlich kommt es ihm vor, als
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