Laennaeus, Olle
Roseton und ein Hemd mit kleinteiligem
Blumenmuster. Er sitzt an dem runden Tisch mitten im Saal und murmelt etwas vor
sich hin. Summt regelrecht, es klingt wie die Melodie eines Schlagers. Neben seinem
Teller liegt ein Schreibblock, in dem er sich hin und wieder Notizen macht, woraufhin
er zufrieden nickt und weitersummt. Konrad schaut ihn verwundert an. Hat den Eindruck,
dass der Mann glücklich wirkt. Etwas hilflos, aber glücklich.
Neben dem Frühstücksbuffet liegen mehrere
Zeitungen aus, die Konrad jedoch ignoriert. Er lädt sich eine große Portion Rührei
und einige schlabbrige Baconscheiben auf den Teller. Verscheucht eine Fliege aus
dem Brotkorb. Setzt sich an einen Tisch am Fenster mit einer einsamen Plastikblume
in einer schmalen Vase. Der erste Schluck Kaffee brennt in der Kehle und lässt seinen
Körper zusammenzucken. Doch die innere Unruhe, die ihn plagt, lässt ein wenig nach.
Da sitzt sie ihm plötzlich gegenüber.
Sie lächelt zweideutig.
Die Frau sieht aus, als sei sie ein
paar Jahre jünger als er. Vielleicht so um die vierzig. Sie hat rotbraunes Haar,
das sich weich bis hinunter zum Hals lockt. Ein paar Sommersprossen auf der Nase
und einen rötlichen Teint, als sei sie sonnenempfindlich. Sie sieht ihn mit grünen
Augen an. Schielt ein klein wenig, was ihrem Blick eine besondere Intensität verleiht.
Konrad nimmt einen schwachen Geruch nach warmer Haut wahr; sie scheint schon seit
dem frühen Morgen gearbeitet zu haben.
«Du erkennst mich nicht wieder, oder?»
Er betrachtet sie und gräbt in seiner
Erinnerung. Fühlt sich ziemlich überrumpelt. Ist noch etwas schlaftrunken. Die Frau
muss sich unbemerkt von der Seite angeschlichen haben und auf den Stuhl geglitten
sein, während er den anderen Frühstücksgast anstarrte.
«Nee», gibt er zu.
«Um ehrlich zu sein, hab ich dich auch
erst nicht erkannt. Aber ich hab schon gehört, dass du zurück bist.»
Konrad denkt intensiv nach, aber der
Groschen fällt nicht.
«Keinen blassen Schimmer, was?»
Er nickt. Schüttelt schließlich resigniert
den Kopf.
Sie lacht auf und lächelt ihn dann
an.
«Gertrud», sagt sie. «Gertrud Myrberg.»
Mit einem Mal dreht sich die Zeit in
rasendem Tempo zurück. Und dann sieht er sie vor sich. «Ameisen-Gertrud». Keiner
in der Familie konnte dem Spitznamen entgehen. Ein drahtiges kleines Mädchen, das
sich im geräumigen Haus der Myrbergs irgendwo im Hintergrund bewegte. So unscheinbar,
dass er sie nie richtig wahrgenommen hat. Svens kleine Schwester. Sie gehörte einfach
in das Haus, das immer leerer wurde, als die größeren Kinder nach und nach auszogen.
Hatte sie irgendwelche Freunde? Konrad weiß es nicht. Damals hat ihn das nicht gekümmert.
Doch jetzt, wo er weiß, wer sie ist, kommt sie ihm plötzlich erstaunlich vertraut
vor.
«Gertrud», sagt er linkisch. «Ziemlich
lange her.»
Er streckt seine Hand über den Tisch
und macht einen Ansatz aufzustehen, bleibt dann jedoch sitzen. Sie schütteln sich
wie Fremde die Hand. Dann wird es still.
«Ich arbeite hier», sagt sie nach einer
Weile.
«Aha ...»
«Seit letztem Herbst.»
«Tja, ich bin gestern erst angekommen
und hab lediglich ...»
«Bist du im Haus gewesen?», unterbricht
sie ihn. «In Hermans und Signes?»
«Ja, gestern. Es war eigenartig», antwortet
er langsam.
Sie blickt ihn ernst an.
«Es muss schrecklich gewesen sein.
Man kann es kaum fassen. Ein solcher Mord in diesem Kaff.»
Konrad denkt nach. Hört in sich hinein.
Was empfindet er eigentlich? Schließlich zuckt er mit den Schultern.
«Ist ja schon ziemlich lange her. Die
Zeit, du weißt ja. Sie vergeht so schnell, und man verändert sich. Die Erinnerung
verblasst. Und außerdem waren sie ja auch nie meine leiblichen Eltern.»
Gertrud betrachtet ihn misstrauisch.
«Du hast doch ... wie lange kann es
gewesen sein ... bestimmt zehn Jahre bei ihnen gewohnt, oder? Sie haben dich doch
sogar adoptiert, oder?»
«Ja, schon ... und sie waren auch immer
nett zu mir, so ist es nicht.»
Er trinkt noch einen Schluck von seinem
Kaffee, der inzwischen kalt geworden ist. Gertrud wirkt ungeduldig, als warte sie
auf eine Fortsetzung. Erst jetzt fällt ihm auf, dass sie das Logo der Hotelkette
auf der weißen Bluse unter ihrem schwarzen Jackett trägt. Sie folgt seinem Blick.
«Ist nur 'ne Übergangslösung», sagt
sie fast ein wenig entschuldigend. «Der Job, meine ich. Das Einzige, was zu kriegen
war, als ich zurückgekommen bin. Ich steh an der Rezeption und kümmere mich um
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