Laennaeus, Olle
Puls beruhigen kann. Er holt tief Luft.
Der Mann, der die Tür öffnet, ist groß
und massig. Er sieht aus, als wäre er total besoffen. Seine Wangen sind sorgfältig
rasiert, die Haut ist rot gefleckt, als würde er regelmäßig scharfes Rasierwasser
benutzen. Unter seinen Augen hängen Tränensäcke. Gunnar Nilhem wirkt irritiert,
als hätte man ihn bei etwas Wichtigem gestört. In der Wohnung läuft der Fernseher,
aufgeregte Stimmen sind zu hören. Seine weiten braunen Hosen, die Pantoffeln und
die Strickjacke lassen ihn älter aussehen, als er ist. Er hält einen Wettcoupon
für Pferderennen in der einen Hand und streicht sich mit der anderen durch das dünne
Haar, als versuche er, es über den beinahe kahlen Schädel nach hinten zu kämmen.
«Ja?», sagt er und starrt ihn mit leerem
Blick an.
Konrad räuspert sich. Zuerst erkennt
er den Mann in der Türöffnung überhaupt nicht wieder. Doch dann entdeckt er etwas
Bekanntes in seinen Augen, lediglich eine Nuance. Wenn man dreißig Jahre herunterrechnet
und genauso viele Kilo, dann, ja dann ist es tatsächlich Gunnar. Konrad weiß, dass
er die richtige Adresse aufgesucht hat, bereut es jedoch, keinen genaueren Plan
ersonnen zu haben, um reingelassen zu werden.
«Ja, äh ... Sind Sie Gunnar Nilhem?»
«Ja, aber wenn Sie mir irgendwas verkaufen
wollen: kein Interesse.»
Es scheint, als würde er jeden Moment
die Tür zuschlagen, sodass Konrad eilig ruft: «Warten Sie!»
Der andere hält inne, starrt ihn aber
weiterhin an, eher fragend als feindselig. Konrad streckt eine Hand vor, aber Gunnar
betrachtet sie lediglich mit Abscheu, als wäre sie ein ekeliges Tier, mit dem er
auf keinen Fall in Berührung kommen will. Vielleicht will er auch einfach nur nicht
das nächste Rennen verpassen.
«Ich heiße Konrad Jonsson ... ehemals
Konrad Jönsson. Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern ...»
Gunnars Gesicht verdunkelt sich. Die
Fingerknöchel seiner Hand, die immer noch den Türgriff umfasst, färben sich weiß.
Er schnappt nach Luft, bleibt aber stehen, offensichtlich nicht in der Lage zu
entscheiden, was er tun soll.
In dem Moment ertönen Schritte in der
Wohnung, woraufhin sich eine Frau im Flur nähert. Ihre Stimme ist schrill.
«Wer ist da, Gunnar? Ich hab dir doch
gesagt, dass wir nichts an der Tür kaufen ...»
Die Frau ist mitten im Flur stehen
geblieben. Dort ist es dunkel; vielleicht hat Gunnar die Gardinen zugezogen, damit
das Fernsehbild nicht blendet. Konrad erkennt lediglich ihre Konturen. Er flucht
im Stillen, weil er sich nicht im Voraus versichert hat, dass sie unterwegs ist.
Konrad macht einen verzweifelten Versuch:
«Ich soll Sie herzlich von Klas grüßen. Er meinte, dass wir einmal miteinander
reden sollten.»
Gunnar Nilhem scheint sich nicht wohl
in seiner Haut zu fühlen, er wirkt wie ein geplagter Ochse. Sein Blick flackert
zwischen Konrad und seiner Frau hin und her, die im Hintergrund steht und versucht,
die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
«Da ist keiner, Liebling», ruft er
schließlich über die Schulter. «Gar keiner.»
Als er sich wieder zu Konrad umdreht,
ist er aschfahl im Gesicht.
«Ich kenne Sie nicht und einen verdammten
Klas übrigens auch nicht!», zischt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Dann fällt die Tür mit einem Krachen
zu.
M aria wohnt
in einer Zweizimmerwohnung in der Inedalsgata. Sie empfängt ihn mit einer herzlichen
Umarmung und einem Kuss auf die Wange, der ihn fast verlegen macht. Es ist einige
Monate her, dass sie sich gesehen haben, und genau wie beim letzten Mal und dem
Mal davor ist er überrascht, dass sie inzwischen eine erwachsene Frau ist. Ein
Duft von Äpfeln umgibt sie, und ihr Haar ist nass, als hätte sie gerade geduscht.
Konrad hat zwei Flaschen portugiesischen Rotwein mitgebracht, den er im Systembolag
am Kungsholmstorg gekauft hat.
«Ich bin joggen gewesen, bevor du kamst»,
sagt sie und klatscht ihm mit der Hand auf den Bauch. «Du solltest auch ein wenig
an deine Form denken, Papa. Hinterher fühlt man sich wirklich phantastisch.»
«Findest du, dass ich zu dick bin?»
«Nein, aber ein paar Muskeln könnten
dir nicht schaden.» Sie zeigt ihm im Schnelldurchlauf die Wohnung. Sie ist in keiner
Weise so möbliert, wie er es erwartet hat. Ein protziges schwarzes Ledersofa, ein
schäbiges Zebrafell an der Wand, Bongotrommeln und ein großer, an der Decke angebrachter
Spiegel über dem Doppelbett im Schlafzimmer. Nur das Bücherregal kommt von Ikea.
Konrad
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