Laennaeus, Olle
... Der ... kleine Bruder von
Klas.»
«Klas hatte doch gar keinen Bruder.»
Einen Spaltbreit hat sich die Tür geöffnet.
Gunnar gibt zumindest zu, dass er weiß, wer Klas ist. Konrad lässt die Abendluft
in seine Lungen strömen. Er spürt Marias Atem direkt neben sich; sie hat die Gläser
beiseitegeschoben und ist auf seine Seite des Tisches herübergekommen, um nichts
zu verpassen. Jetzt gilt es, schnell einen Fuß in die Tür zu bekommen.
«Doch, einen Adoptivbruder. Herman
und Signe haben sich um mich gekümmert, nachdem ...»
Weiter kommt er nicht, da Gunnar ihn
schroff unterbricht.
«Sie sind wohl wirklich schwer von
Begriff! Ich kenne Sie nicht. Ich kenne auch keinen Klas. Und ich werde auch ganz
bestimmt nicht mit Ihnen über Tomelilla sprechen. Wenn Sie mich noch ein einziges
Mal anrufen, werde ich Sie wegen Belästigung anzeigen. Haben Sie das verstanden?»
Dann ist das Gespräch zu Ende. Konrad
seufzt resigniert und legt das Handy auf den Tisch.
«Du warst ziemlich nahe dran, oder?
Es klang fast so, als hättest du ihn am Haken», sagt Maria und steckt das Handy
zurück in die Tasche ihrer Jeans.
Er starrt sie ausdruckslos an. Vielleicht
hat sie recht. Vielleicht war Gunnar dabei, sich zu öffnen. Ein Einsiedlerkrebs,
der aus seinem beengten Gehäuse hervorlugt, etwas ängstlich, aber dennoch versucht,
sich hinauszuwagen. Doch jetzt scheint es, als hätte er sich wieder in die hinterste
dunkle Ecke seiner Schale zurückgezogen, fest entschlossen, sich dort festzuklammern,
bis er stirbt. Es scheint sinnlos, noch weitere Versuche zu unternehmen.
«Eines weißt du jedenfalls jetzt»,
sagt Maria nachdenklich. «Dieser Gunnar hat Angst, und zwar verdammte Angst. Und
was sollte er für einen Grund dafür haben, wenn er nichts zu verbergen hätte?»
«Du klingst schon ganz wie eine Rechtsanwältin»,
sagt Konrad und kann nicht anders, als seine Hand auf die seiner Tochter zu legen.
Sie lacht auf, und einen Augenblick
lang wirkt sie fast verlegen, doch dann überwiegt der Stolz. Sie gießt den letzten
Schluck Sangria in die Gläser und leert dann ihr eigenes in einem Zug.
«Vielleicht hatte der Häftling in Malmö
recht. Klas und Gunnar, ja, und Benga auch, bevor er sich mit dem Stromkabel erhängt
hat, sie wissen anscheinend, aus welchem Grund deine Mutter verschwunden ist.»
«Da scheint etwas dran zu sein», sagt
Konrad. «Die Frage ist nur, wie man es aus ihnen herauskriegt...»
In dem Moment kommt die Bedienung und
bringt das Essen. Chorizo, Muscheln und in Knoblauch eingelegte Krabben. Sie zündet
ein Teelicht in einem Glasbehälter an und entkorkt eine Flasche desselben portugiesischen
Rotweins, den Konrad im Systembolag gekauft hat. Sie stoßen an. Essen und trinken
dann eine Weile schweigend.
Konrad fragt sie nach ihrem Jurastudium.
Doch, alles läuft gut. Maria hat vor, eine Kanzlei zu eröffnen, wenn sie fertig
ist. Will misshandelten und vergewaltigten Frauen helfen. Er fragt sie nach ihrem
Nebenjob in der Kneipe. Nein, sie hat kein Problem damit, nebenbei zu arbeiten.
Sie braucht einfach das Geld; mit dem Studiendarlehen kommt man nicht gerade weit.
Außerdem überlegt sie, ob sie ein Jahr Pause machen und durch Asien touren soll.
«Wie alle anderen auch, die ihr Innerstes ergründen wollen», erklärt sie und lacht
hastig auf. Und dieser Niklas? Sie wiegelt erneut ab, dieser Typ ist anscheinend
kein wesentlicher Bestandteil ihres Lebensplans.
Langsam, aber sicher bewegt sich das
Gespräch wieder in Richtung der Geschehnisse in Tomelilla. Es ist unausweichlich.
«Diese Menschen», sagt Maria und sieht
mit einem Mal sehr ernst aus. «Du hast mir noch nie von ihnen erzählt.
Deine Jahre auf See, wie es war, als
ich geboren wurde und klein war, dein Leben in Berlin und deine Reiserei als Journalist
rund um die Welt, von all dem weiß ich 'ne Menge. Sogar von Sonja. Aber über deine
Kindheit weiß ich nicht die Bohne.»
Ihre Stimme klingt anklagend, zumindest
in Konrads Ohren. Plötzlich kommt sie ihm wie das Echo ihrer Mutter vor. Konrad
will es nicht wahrhaben. Aber er schämt sich, und er weiß, dass er ihr eine Antwort
schuldig ist. Der Wein lässt ihre Augen ein wenig glänzen. Sie sind weit geöffnet
und blicken ihn ununterbrochen an.
«Ich hab offensichtlich versucht, das
alles zu verdrängen. Hauptsächlich wohl, um mich selbst nicht damit zu belasten.»
«Aber früher oder später holt es einen
doch wieder ein, oder?» Er nickt.
«Du hast recht. Früher oder später
holt
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