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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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über den
Weg zu reichen. Wäre er nur etwas langsamer gelaufen, hätte der Kläffer ihn zerfleischt.
    «Sie sind wohl nicht ganz bei Trost!
Der Hund ist ja lebensgefährlich. Sie sollten ihn, verdammt nochmal, vom Weg fernhalten.»
    Hinter einem Fenster bewegt sich etwas.
Er erkennt ein Kindergesicht. Blass, wie Konrad findet. Weitaufgerissene Augen.
Aber vielleicht bildet er sich das auch nur ein. Es ist schwer auszumachen, ob es
ein Junge oder ein Mädchen ist.
    Der Bauer wirkt immer noch amüsiert.
Er spuckt in den Schotter, schiebt dann die Hand in eine der Taschen seines Overalls
und holt eine Dose hervor.
    «Möchten Sie eine Portion Kautabak?»
    Er hält ihm die Dose hin und grinst
erneut, wohl wissend, dass Konrad sich in Reichweite des Schäferhundes begeben muss,
um ihn entgegenzunehmen.
    Konrad schüttelt den Kopf, dreht sich
um und läuft weiter, jetzt mit leicht zittrigen Beinen. Hinter seinem Rücken hört
er den Bauern leise lachen. Dann schlägt eine Tür zu.
    Der Weg verläuft noch ein Stück durch
die Felder, bis er nach ungefähr einem Kilometer in die Landstraße zwischen Ystad
und Kristianstad einmündet. Konrad biegt erst nach Norden ab und auf Höhe von Svampakorset
wieder nach Osten in Richtung Ort. Inzwischen spürt er seine Beine. Die Sonne ist
bereits dabei unterzugehen, doch sie brennt ihm immer noch im Nacken. Ich hätte
etwas auf den Kopf setzen sollen, denkt er. Das T-Shirt ist längst durchgeschwitzt
und klebt am Körper.
    Statt langsamer zu werden, verspürt
Konrad jedoch eine unbändige Lust, seine Geschwindigkeit noch zu steigern. Seine
Beine sind bereits taub, und die Waden schmerzen, aber er erhöht schonungslos das
Tempo, bis er schneller ist, als er es selbst je für möglich gehalten hätte. Der
Blutgeschmack in seinem Mund kommt ihm vor wie eine genussvolle Strafe. In seinen
Ohren beginnt es zu rauschen, und die Autos, die ihn auf dem Weg in den Ort passieren,
verwandeln sich in grölende Monster. Konrad ist blind vor Schweiß und Tränen. Es
brennt in seinen Augen, und seine Lungen beginnen, aus Protest zu pfeifen.
    Ich laufe, bis ich umkippe, schreit
es in seinem Kopf. Ich laufe, bis ich sterbe.
    Nach der Hügelkuppe auf Höhe der Völkshochschule
schraubt er das Tempo gegen alle Naturgesetze noch höher. Mehr dürfte eigentlich
nicht herauszuholen sein. Aber mit seinem eigenen Todesurteil im Nacken rennt er
wie ein Wahnsinniger über die Eisenbahnbrücke. Keuchend wie eine Dampflok passiert
er das Välabad und merkt nicht, dass er kurz davor ist, eine alte Dame umzurennen,
die in der Konditorei Reiman gerade Zimtschnecken gekauft hat. Auf den letzten hundert
Metern zum Haus in der Ostergata legt er einen Sprint hin, der ihn völlig erledigt.
Er stürzt durch die Hoftür und bricht auf dem Rasen unter dem Pflaumenbaum zusammen.
Es ist still.
    Der Himmel über Konrad ist dabei, eine
dunklere Nuance anzunehmen. Ganz weit oben schwebt eine Wolke. Oder eher ein winziges
Wölkchen, aber das erste, das er seit mehreren Wochen erblickt.
    Konrad liegt auf dem Rücken im Gras,
nicht ganz sicher, in welcher Welt er sich befindet. Er sieht, wie sich die Wolke
verwandelt. In einen Tintenfisch im Meer. In ein kleines blökendes Lamm. In ein
bulliges Flugzeug. Einen Eisbären auf der Jagd.
    Dann verwandelt sie sich in ein Menschengesicht
mit Nase und abstehenden Ohren. Die Wolke scheint sich zu verdunkeln. Nimmt die
Züge eines böse dreinschauenden alten Mannes an. Konrad zittert im Gras vor Schüttelfrost.
Dann bewegen sich die Wassermoleküle erneut, und das Gesicht wird weicher. Jetzt
sieht es wie das Antlitz einer jungen Frau aus, und es scheint, als sitze sie halb
abgewandt da und träume. Konrad spürt ihre Trauer tief in seinem Herzen.
     
    A ls er die Augen
wieder aufschlägt, hat er keine Ahnung, wie lange er vor sich hingedämmert hat.
Um ihn herum ist es fast dunkel, und aus zwei Fenstern im ersten Stock leuchtet
ein gelblicher Schein. Erst begreift er überhaupt nicht, wessen Hand da auf seiner
Stirn liegt. Eine alte Erinnerung an eine fiebrige Nacht vor etlichen Jahren fliegt
vorbei. Agnes?
    Dann hört er sie lachen.
    «Ich hab fast gedacht, du wärst tot.»
    Gertrud sitzt im Gras, schräg hinter
ihm. Ihr Gesicht schwebt über seinem Kopf, feengleich. Ihre Hand ist leicht und
kühl.
    «Ich fühle mich auch wie tot...»
    Sie legt sich neben ihn ins Gras mit
dem Kopf auf sein schweißnasses Shirt, das inzwischen ganz kalt geworden ist.
    «Was hast du denn gemacht?»
    «Ich

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