Laennaeus, Olle
zugelegt, seitdem das Bild gemalt wurde. Er sieht aus wie
knapp über fünfzig, trägt eine silbern eingefasste Brille auf der geraden Nase und
hat leicht gerötete Wangen. Ein schmaler Schnurrbart verstärkt den Eindruck, dass
er nahezu kein Kinn hat. Seine Stimme klingt hell und dünn.
«Ja, das ist wirklich eine Überraschung»,
sagt er und öffnet ein dunkelblaues Dossier. «Ich meine, dass sich so viel Geld
im Nachlass befand. Das hätte wirklich keiner gedacht.»
Er blättert in seinen Unterlagen.
«Ich habe eigentlich geglaubt, über
so ziemlich alles, was hier in Tomelilla geschieht, Bescheid zu wissen. Ist ja ein
recht kleiner Ort, wie du weißt. Jeder kennt jeden. Meint man zumindest.»
Konrad räuspert sich und spürt, dass
er etwas sagen muss. Seit er dieses düstere Haus betreten hat, sucht er in seiner
Erinnerung. Der Rechtsanwalt müsste in Klas' Alter sein. Konrad versucht, ihn sich
dreißig Jahre jünger vorzustellen, aber es gelingt ihm nicht.
«Tja, ich hatte jedenfalls keine Ahnung»,
sagt er abwartend.
«Natürlich nicht...»
Berelius verstummt und wirft Konrad
einen zweideutigen Blick zu.
«Übrigens», fährt er fort und wechselt
das Thema, als hätte er Konrads Gedanken gelesen. «Ich hab dich jetzt einfach geduzt,
wir kennen uns ja noch von früher. Klas und ich waren in der Realschule Klassenkameraden.
Du erinnerst dich doch? Auch wenn du natürlich ein ganzes Stück jünger warst. Tja,
wir hatten nicht gerade engen Kontakt, und dann bin ich ja aufs Gymnasium nach Ystad
verschwunden und später an die Uni nach Lund.»
«Du hast die Kanzlei von deinem Vater
übernommen?»
«Der sie wiederum von meinem Großvater
übernommen hat. Ja, das war sozusagen der vorgezeichnete Weg. Aber ich kann nicht
klagen. Nein, beim besten Willen nicht.»
Er schielt hinauf zu den ernst dreinblickenden
Herren an der Wand und kratzt sich versonnen unterhalb des Mundes, dort, wo eigentlich
das Kinn sitzen müsste.
«Und du bist um die Welt gereist, wie
ich höre. Ist bestimmt ein spannenderJob, oder?»
«Ja, schon ...»
Konrad hegt keine besonderen Ambitionen,
von sich zu erzählen. Leute, die Konversation mit ihm betreiben wollen, haben ihn
schon immer stumm gemacht. Im Augenblick will er eigentlich nur wissen, warum der
Rechtsanwalt ihn gebeten hat herzukommen.
Es wird für ein paar Sekunden still.
Dann beschließt Berelius, sein Jackett über die Stuhllehne zu hängen. Auf dem Revers
prunkt das Logo des Rotary Clubs. Die glänzende Krawattennadel wirkt protzig.
«Okay, back to business. Ich bin also
als Nachlassverwalter eingesetzt. Es handelt sich dabei nur um eine Formalität,
die man allerdings nicht außer Acht lassen sollte. Es sieht folgendermaßen aus:
Sobald wir von der Polizei grünes Licht bekommen, können wir das Testament eröffnen.
Eigentlich benötigt man dafür nur einen Erben, da aber sowohl Klas als auch du vor
Ort sind, können wir das auch gemeinsam erledigen. Wir müssen zuerst einen Termin
ausmachen. Ich glaube nicht, dass Herman und Signe irgendwelche Schätze im Haus
hinterlassen haben. Aber eben doch einiges an Geld auf der Bank. Sobald wir genau
wissen, was vorhanden ist, wird das Erbe ausgezahlt. Also nichts ...»
Er hält inne, als das Mädchen hereinkommt
und ein Tablett mit zwei Kaffeebechern auf den Schreibtisch knallt. Sie wirft ihnen
einen verächtlichen Blick zu und verlässt den Raum ohne ein Wort.
«Also nichts Außergewöhnliches», fährt
der Rechtsanwalt fort und zuckt mit den Achseln.
«Na gut. Dann können wir ja anfangen»,
schlägt Konrad vor.
Er hört selbst, dass er übertrieben
gleichgültig klingt. Es ist, als ob die Tatsache, dass er mehrere Millionen Kronen
erben wird, noch nicht bis in sein Hirn vorgedrungen wäre. Als wolle er sie nicht
anerkennen. Der Gedanke an Hermans und Signes Geld verursacht ihm schlichtweg Unbehagen.
Warum haben sie ihren Lottogewinn nicht unter die Leute gebracht, als sie noch die
Möglichkeit dazu hatten? Warum haben sie sich keine Kreuzfahrt geleistet oder zumindest
ein neues Auto? Warum haben sie das Geld nicht dem Roten Kreuz gespendet? Konrad
weiß die Antwort bereits. Ihre Phantasie reichte nicht aus. Herman und Signe wussten
ganz einfach nichts damit anzufangen. Blutgeld, denkt er.
Konrad will kein Blutgeld haben. Er
will lediglich wissen, was geschehen ist.
«Ganz so einfach ist es nicht», hört
er Berelius sagen. «Wieso?»
«Wir können den Nachlass nicht ohne
weiteres auszahlen.»
«Nicht? »
«Na ja,
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