Laennaeus, Olle
es wird mit Sicherheit kein
großes Problem darstellen», beschwichtigt der Rechtsanwalt.
Er lehnt sich in seinem Bürosessel
zurück und verschränkt die Hände im Nacken, wie um einen entspannten Eindruck zu
vermitteln. Die Schweißflecke unter seinen Achselhöhlen lassen ihn jedoch eher unsicher
wirken.
«Es hängt von der Polizei ab. Sie sind
der Meinung, dass man abwarten sollte, bis ... tja, bis die Schuldfrage vollständig
geklärt ist.»
Konrad schaut ihn verständnislos an.
«Es klingt zugegebenermaßen etwas merkwürdig.
Ein wenig brüsk, wenn ich es so ausdrücken darf. Denn keiner glaubt ja ernsthaft,
dass du ... Aber dem Gesetz zufolge ist es so, dass ein Mörder seine Opfer nicht
beerben kann.»
Berelius wirkt angesichts dessen, was
er selbst gesagt hat, fast erschrocken. Er lächelt entschuldigend.
«Wenn du möchtest, kann ich ...»
Er macht einen Ansatz aufzustehen,
um das Gesetzbuch aus dem Regal zu holen.
«Nein danke», unterbricht ihn Konrad
abwehrend. «Ich glaube, ich hab verstanden.»
Keiner von ihnen hat noch etwas zu
sagen. Ohne viele Worte einigen sie sich darauf, mit Klas zu sprechen und einen
Termin auszumachen, um die Habseligkeiten in Hermans und Signes Haus durchzugehen.
Dann begleitet der Rechtsanwalt Konrad zur Tür.
Die Nichte ist verschwunden. Aber aus
dem Radio in der Küche dröhnt Popmusik. In dem Moment, als sie sich die Hand geben,
wird die Musik unterbrochen.
Guten Tag! Hier ist Radio Kristianstad
mit den Nachrichten. Heute am frühen Morgen wurden zwei junge Männer vor einem
Haus außerhalb von Onslunda erschossen. Nach Aussage der Polizei war es offenbar
der Besitzer des Hauses, der die tödlichen Schüsse abgab. Aus ermittlungstechnischen
Gründen macht die Polizei keine genaueren Angaben, doch laut zuverlässigen Quellen
von Radio Kristianstad deutet alles darauf hin, dass die Männer versuchten, ins
Haus einzubrechen, und dabei vom Eigentümer überrascht wurden. In den nächsten Nachrichten
bringen wir weitere Informationen zum Drama ...
Sie bleiben eine Zeitlang in der Türöffnung
stehen und sehen einander an. Konrad versucht zu begreifen, was er gerade gehört
hat. Doch bevor er seine Schlüsse daraus ziehen kann, ruft Berelius aus: «Das ist
ja der helle Wahnsinn!»
Der Rechtsanwalt wirkt mit einem Mal
nahezu kindlich aufgeregt. Hinter seinem silberfarbenen Brillengestell blitzt es
auf.
«Du verstehst, was das bedeuten könnte,
oder?»
Konrad versteht gar nichts. Was ist
eigentlich los in diesem Kaff? Das hier ist doch Tomelilla und nicht Chicago! Er
schüttelt den Kopf.
«Halbstarke, die bei alten Leuten einbrechen»,
sagt Berelius triumphierend. «Und sie ausrauben. Ich wette darauf, dass sie es
waren, die Herman und Signe ermordet haben.»
KAPITEL 5
D ie Zeit, bevor
er verlassen wurde. Konrad hat oftmals versucht, sich daran zu erinnern, aber es
ist ihm nie richtig gelungen.
Ihm kommen nur einzelne Bilder in den
Sinn, diffus und schwer zu deuten. Und Gefühle, überwiegend unangenehme Gefühle,
die zu einem dichten Nebel zusammenfließen, von dem er nicht so recht weiß, ob er
ihn wirklich ergründen will.
Klar hat er zurückgerechnet. In dem
Sommer, in dem Agnes verschwand, muss er sieben Jahre alt gewesen sein. Es war das
Jahr 1968, so viel weiß er. Das Jahr der Revolution. In Paris fanden Krawalle statt,
und an den schwedischen Universitäten wurde wahllos gegen den Staat demonstriert.
Bei den Olympischen Spielen reckten zwei Schwarze auf einem Siegerpodest ihre geballten
Fäuste gen Himmel. In Prag löschten sowjetische Panzer Menschenleben und Träume
aus. Für Konrad sind es lediglich schwarz-weiße Fernsehbilder aus einer vergangenen
Zeit.
An was er sich hingegen erinnert, ist
die Einsamkeit. Eine Zweizimmerwohnung mit grauen Tapeten, die mit etwas dunkleren
grauen Blumenranken versehen waren. Er betrachtet das Blumenmuster aus unmittelbarer
Nähe, folgt dem Verlauf der Ranken vom dunklen Linoleumbelag auf dem Fußboden bis
hinauf an die vergilbte Decke. Spinnweben in einer Ecke. Es riecht nach absolut
gar nichts, vielleicht bohrt er deshalb die Nase in die eigene Achselhöhle, um
überhaupt etwas zu riechen. Auf dem Sofa stapelt sich die Wäsche, und auf dem Küchentisch
liegt ein Schneidebrett mit einem Brot darauf und einem Messer daneben.
Er sieht Agnes, wie sie vollkommen
reglos dasitzt und aus dem Fenster starrt. Der Regen prasselt gegen die Scheiben
und läuft wie eine kalte Tränenflut hinunter aufs Fensterblech. Die
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