Laennaeus, Olle
hat - wohl wissend, dass sie nicht antworten wird -,
und verspricht ihr, bald einmal nach Stockholm hochzukommen. Konrad sehnt sich
nach seiner Tochter. Aber er sagt es nicht geradeheraus. Einen Augenblick lang überlegt
er, ob er ihr von Hermans und Signes Erbe erzählen soll. Die Millionen kommen ihm
so unwirklich vor. Der Gedanke an das Geld kratzt wie ein Wollpullover auf nackter
Haut. Plötzlich soll er vermögend werden. Wenn sich die Polizei nun nicht darauf
einschießt, ihn als Mörder hinzustellen. Doch nicht einmal das mag Konrad so richtig
ernst nehmen. Es kann doch wohl nicht sein, dass sie so blöd sind, oder? Er entscheidet
sich, Maria erstmal nichts von dem Geld zu erzählen.
«Und Sonja, wie läuft's mit ihr so?»
Die Frage überrascht ihn, obwohl es
dafür eigentlich keinen Grund gibt.
Wie läuft's mit Sonja? Er weiß es wirklich
nicht.
Sonja Kronstadt, deutschstämmige Künstlerin
aus vornehmem Hause, deren Familie nichts mehr von ihr wissen will. Seit zwei Jahrzehnten
in Berlin und ziemlich erfolgreich in den kleinen Galerien im Prenzlauer Berg. Hauptsächlich
bekannt für eine beachtenswerte Body-Art-Ausstellung Mitte der Neunzigerjahre, «Die
Mauer in uns», die dem Rezensenten der Berliner Zeitung zufolge «die psychischen
Mauern, die der moderne Mensch in sich selber errichtet, kompromisslos offenbart».
Aber ebenso eine fleißige Lieferantin lukrativer Pop-Art in Anlehnung an Andy Warhol,
die sie in ihrem Atelier nahe der Zionskirche herstellt. Sonja ist kurz gesagt eine
Künstlerin, die Geld verdient. Vor allem aber war sie in den letzten zwölf Jahren
Objekt von Konrads heißer Begierde.
Wie läuft's mit Sonja? Konrad weiß
nicht mal, wie er möchte, dass es laufen soll. Er weicht der Frage seiner Tochter
aus.
«Wir lassen die Beziehung gerade etwas
ruhen.»
«Aha.» Marias Stimme klingt säuerlich.
«Aber wir telefonieren und so. Manchmal.
Mal sehn, wie's weitergeht», fügt Konrad hinzu.
Er hört, wie sie verächtlich schnaubt,
und sieht förmlich vor sich, wie sie resigniert ihre dunklen Locken schüttelt.
«Du bist wirklich ein hoffnungsloser
Fall», sagt sie.
«Ich lieb dich auch», kontert Konrad.
«Manchmal frag ich mich, ob du jemals
erwachsen wirst.»
«Vielleicht ist es ja genau das, was
ich jetzt endlich versuche zu tun», entgegnet er ernst.
Örjan Palander hat gerade sein erstes
Norrlands Guld geöffnet, als Konrad die Tür aufdrückt. Ein Glöckchen bimmelt heimelig
über der Eingangstür, aber der Redakteur fährt erschrocken auf und beeilt sich,
diskret eine aufgeschlagene Zeitung wie ein kleines Dach über der morgendlichen
Bierdose auszubreiten, bevor er zu seinem Gast aufblickt.
«Verdammt, hab ich einen Schrecken
bekommen. Hab gedacht, es war Solveig», grummelt er und wirft die Zeitung in eine
Ecke.
Er schließt die Augen und nimmt ein
paar große Schlucke. Konrad sieht, wie sein Adamsapfel auf- und abspringt und einige
Schweißperlen entlang der Schläfen hinab in Richtung Hemdkragen rinnen.
Erst nachdem er ein genussvolles Schnaufen
und dann einen kräftigen Rülpser von sich gegeben hat, öffnet Palander wieder die
Augen.
«Wir sind vor einer Weile aufgekauft
worden», sagt er entschuldigend, als würde das alles erklären. «Von Bonniers. Ihnen
gehört heutzutage alles. DN, Sydsvenskan, Expressen, TV4, you name it. Ich hab jetzt
'ne Mitarbeiterin in der Anzeigenabteilung hier, und seitdem kann man sich nicht
mal mehr 'n Bier genehmigen, ohne dass es Ärger gibt.»
Obwohl auf dem Metallschrank gegenüber
vom Schreibtisch ein Ventilator rauscht, ist es warm im Raum. Fast genauso heiß
wie draußen auf dem Marktplatz. Konrad spürt, dass er bereits von dem kurzen Spaziergang
vom Hotel bis hierher durchgeschwitzt ist. Palander muss seinen sehnsüchtigen Blick
bemerkt haben.
«Sie sehen aus, als hätten Sie auch
gern eins ...?»
Konrad nickt, woraufhin Palander aufsteht
und schweren Schrittes hinüber zum Kühlschrank schlurft. Seine Khakihosen sind
am Hosenboden verschlissen, und die Taschen seiner Anglerweste scheinen mit allem
möglichen Kleinkram gefüllt zu sein. Auf der Dose, die er ihm reicht, hat sich
Kondenswasser gebildet.
«Glas gibt es leider keins dazu.»
Konrad öffnet die Bierdose, sodass
es zischt, und lässt einige Schlucke die Kehle hinabrinnen. Er stößt ebenfalls einen
kleinen Rülpser aus, hauptsächlich aus männlicher Kollegialität, und blinzelt dann
durch die halbgeschlossenen Jalousien nach draußen.
«Scheint auch
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