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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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zu mögen.
    «Erzählen Sie mir, was Sie über Herman
und Signe wissen», bittet Konrad. «Sie wissen doch bestimmt mehr über sie als ich.»
    «Kaum. Ich hab in unserem Archiv gesucht
und keine Zeile über sie gefunden. Ach doch, Signe ist in einer Reportage über
den Kirchenflohmarkt erwähnt worden. Sie hat handgefertigte Stickbilder verkauft.
Aber dazu müssen Sie Folgendes wissen: Wenn man in einem so kleinen Ort wohnt, werden
alle, und ich meine wirklich alle, früher oder später in der lokalen Presse erwähnt.
Außer Herman und Signe Jönsson. Sie müssen extrem unscheinbare Figuren gewesen sein.»
    Konrad versucht, sie sich in Erinnerung
zu rufen. Ja, unscheinbar waren sie immer. So unscheinbar, dass sie sich sogar
dem Muster der Tapete anglichen. Es wundert ihn selbst, dass er so wenig über sie
weiß. Dass er nur so vage Gefühle für zwei Menschen hegt, die sich immerhin zehn
Jahre lang um ihn gekümmert haben, ihm zu essen, Kleider und ein Bett gegeben haben.
Vielleicht lag es gar nicht an ihnen ...
    Er kommt nicht dazu, den Gedanken abzuschließen.
    «Warum haben sie Sie eigentlich adoptiert?»
    «Ich weiß nicht», antwortet er zögerlich,
in Gedanken immer noch weit weg. «Als meine Mutter verschwand ... gab es keinen
anderen.»
    «Polin, oder? Ich hab davon gehört,
obwohl es passierte, lange bevor ich die Stelle hier in Tomelilla antrat. Ihr Vorname,
Konrad, ist wohl auch polnisch, oder? Sie ist also einfach verschwunden, Ihre Mutter,
und keiner hat sich darum gekümmert, nach ihr zu suchen?»
    «Ich nehme an, dass sie gesucht haben.
Aber ich kann mich an nahezu gar nichts aus dieser Zeit erinnern. Es ist sozusagen
wie weggeblasen.»
    Konrad leert seine zweite Bierdose,
stellt sie auf dem Schreibtisch ab und steht auf. Er spürt, wie es sich in seinem
Kopf zu drehen beginnt. Sein Hemd klebt am Rücken. Er nickt Palander zu.
    «Noch einmal danke fürs Bier. Wir sehen
uns.»
    Als er schon die Hand auf der Türklinke
hat, fällt ihm noch etwas ein.
    «Ach übrigens, Orjan. Ich wollte nur
wissen, ... wie alt sind Sie eigentlich?»
    «Warum wollen Sie das wissen?»
    Konrad zuckt mit den Schultern. Dann
öffnet sich Palanders Gesicht zu einem breiten Lächeln. Er streicht zärtlich über
seinen gewachsten Schnauzbart und deklamiert: «Jahrgänge sind ein Maß, das für
Frauen, Wein und Automarken gilt. Also nicht für einen alten Schreiberling wie mich»,
verdeutlicht er. «Ich betrachte mich als ewig jung.»
    Konrad muss eine ganze Weile auf eine
Erklärung warten.
    «Ist aus Lennart Hylands legendärem
Abc-Buch von 1966, Sie wissen schon. Unter dem Buchstaben J. Einer der besten Sprüche,
wie ich finde.»
    «Noch nie gehört», sagt Konrad und
lässt die Tür hinter sich zufallen.
     
    KAPITEL 7
     
    L etztlich ging
es nur um ein Eis, ein gewöhnliches «Top Hat», und Konrad hätte es wohl einigermaßen
verwunden, wenn Göransson nicht so überheblich gegrinst hätte. Er grinste unerträglich
höhnisch, dieser Blödmann. Genoss jede einzelne Sekunde.
    Konrad würde diesen triumphierenden
Blick und den gestrengen Zeigefinger des Magisters, der in Richtung des Papierkorbes
neben dem Seehundbecken wies, nie vergessen. Auch wenn die Prüfung, der er da ausgesetzt
war, längst nicht die schwerste in seinem Leben sein sollte. Und oberflächlich gesehen
war es ja eigentlich eine Lappalie. Eine Bagatelle, die der Rest der Klasse wahrscheinlich
am nächsten Tag schon wieder vergessen hatte. Doch in Konrads Gedächtnis brannte
sich dieses spöttische Grinsen fest ein.
    Konrad war zehn Jahre alt, und seiner
Auffassung nach hätte man es nicht deutlicher ausdrücken können. Der Mathematiklehrer
Donald Göransson hätte genauso gut eine ganzseitige Anzeige in Ystads Allehanda
aufgeben oder sich ein Megaphon vor die Kehle halten und es über den gesamten Schulhof
posaunen können: «Konrad Jönsson, dieser kleine Dreckskerl, ist ein uneheliches
Kind. Ein Polackenbengel. Der ist anders als wir anderen!»
    Es war allgemein bekannt, dass Göransson
ein fieser Kerl war. Hart, aber gerecht, behaupteten einige Erwachsene, doch die
wussten nicht, wovon sie sprachen.
    Oder sie wussten es nur allzu gut.
    Der Mathelehrer war sich nicht zu schade,
sich bei Eltern, die Geld und Einfluss besaßen, einzuschmeicheln. Wenn er mit seiner
grauen Mähne und seinem gefürchteten, erhobenen Schlüsselbund durch den Korridor
schwebte, waren es niemals ihre Kinder, die eins übergezogen bekamen, wenn sie ihre
Füße nicht rechtzeitig

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