Laennaeus, Olle
heute wieder heiß zu
werden ...»
Örjan Palander zwirbelt seinen Schnauzbart,
und Konrad stellt fest, dass er tatsächlich gewachst ist. Gibt es etwa immer noch
Leute, die das machen?
«Japp», sagt Palander und fläzt sich
in seinen Stuhl. «Wenn man dem Langhaarigen glauben soll, wird die Hitzewelle noch
die ganze Woche andauern. Sie kennen ja den Kerl, der immer das Wetter im Fernsehen
vorhersagt. Sieht aus wie Deep Purple auf Konfirmandenfreizeit.»
Er streicht sich mit der Handfläche
über die Glatze und wischt dabei einige Schweißtropfen in Richtung Boden. Dann wirft
er Konrad einen zweideutigen Blick zu, grinst und beginnt mit feierlicher Stimme
zu rezitieren: «Und bringt das goldene Kalb, das wir gemästet haben, und schlachtet's;
lasset uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder
lebendig geworden.»
Konrad lacht auf, doch es klingt eher
wie ein Schnauben.
«Lukasevangelium», erklärt Palander.
«Der verlorene Sohn. Denn das sind Sie doch, der verlorene Sohn, der wieder nach
Hause zurückgekehrt ist, oder?»
«Der Lieblingssohn? Ich? Sie machen
Witze ...»
«Nein, stimmt, wäre vielleicht auch
etwas schwierig, die Vaterrolle in diesem Stück zu besetzen.»
Beide verstummen, unsicher, was sie
als Nächstes sagen sollen. Konrad fällt auf, dass sie sich gar nicht richtig begrüßt
haben. Aber sich noch einmal vorzustellen, wäre überflüssig. Er selbst kann sich
nicht erinnern, jemals mit Orjan Palander gesprochen zu haben. Er hat immer nur
Gerüchte aufgeschnappt und ihn auf seinem Fahrrad vorbeisausen sehen.
«Sie wissen also, wer ich bin?»
«Das weiß doch wohl jeder hier im Ort.
Na ja, aber bilden Sie sich nicht zu viel ein, von Ihrer journalistischen Tätigkeit
weiß hier wohl kaum einer etwas. Aber nach dem Mord an Herman und Signe hat die
Gerüchteküche heftig zu brodeln begonnen, das können Sie mir glauben.»
«Und was sagen die Leute?»
«Ach, sie scheinen nicht so recht zu
wissen, was sie glauben sollen. Diejenigen, die etwas älter sind, erinnern sich
bestimmt daran, dass Ihre Mutter verschwunden ist und Sie damals adoptiert wurden.
Auch die Nachricht vom Lottogewinn hat sich natürlich herumgesprochen.»
«Danke, dass Sie davon in der Zeitung
nichts erwähnt haben.»
«Don't you worry. Wird morgen die Titelstory.
Hoff ich zumindest.»
«Und dann hab ich all Ihre Kollegen
auf dem Hals?»
«Wahrscheinlich. Sie müssen sich wohl
irgendwas einfallen lassen, um sie abzuschütteln.»
Konrad nimmt einen letzten Schluck
Bier, knüllt die leere Dose zusammen und wirft sie in Palanders Papierkorb. Er merkt,
dass ihm das Pils bei der Hitze ganz schön zu Kopf steigt.
«Die Leute sind natürlich geschockt»,
fährt Palander fort. «Das müssen Sie verstehen. Sie haben das Recht auf Information.
Erst ein derartig brutaler Doppelmord. Und dann Tore Torstenssons kleiner Shootout
in Onslunda. Das ist ziemlich viel Action für so ein winziges Kaff.»
«Heißt er so, Tore Torstensson?»
«Exactemente!»
«Sie haben geschrieben, dass er Schwedendemokrat
ist...»
«Ja, wir haben hier 'ne ganze Menge
von diesen rechten Typen. Und darauf sind wir nicht besonders stolz. Wissen Sie
übrigens, dass es am ersten Mai dieses Jahres einen einzigen Ort in Schweden gab,
wo diese Blödmänner ihren Demonstrationszug mit blaugelben Fahnen abgehalten haben?
Und raten Sie, welchen!»
«Hier?»
«Genau. Die Sozis haben ihren Zug eingestellt.
Stattdessen hatten wir eine kleine nationalistische Prozession. Es waren nur ein
paar Dutzend, aber immerhin.»
«Und Torstensson?»
«Er war dabei, darauf können Sie Gift
nehmen.»
Örjan Palander starrt ihm eine Sekunde
lang geradewegs ins Gesicht, und Konrad kann sehen, dass die Haut um seine Augen
herum ziemlich glatt ist. Aber er müsste sich dennoch so langsam dem Rentenalter
nähern.
Der Redakteur nuschelt etwas vor sich
hin, wühlt dann in einer seiner ausgebeulten Westentaschen herum und fischt eine
Blechschachtel mit pechschwarzen Zigarillos heraus. Er bietet Konrad einen an, der
abwehrend mit dem Kopf schüttelt, und zündet sich daraufhin selbst einen an. Die
Rauchwolke stinkt wie ein ganzer Aschenbecher.
«Ich kaufe meine Zigarillos in Polen.
Echte Ware aus Kuba. Behaupten die Polen jedenfalls. Verdammt günstig. Und stark
wie die Hölle. Man muss die Gelegenheit nutzen, solange der Drachen weg ist», erklärt
er und nickt in Richtung des leeren Schreibtisches seiner Mitarbeiterin.
«Glauben Sie, dass ein
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