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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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einzogen. Gunnel war eines seiner Lieblingsopfer. Sie saß
in der letzten Reihe und wurde ein gesamtes Schuljahr lang in jeder Mathestunde
Göranssons psychischer Tortur ausgesetzt. Gunnel war dick. Sie sah ziemlich unansehnlich
aus, nicht gerade hässlich, aber sie hatte irgendwie einen dümmlichen Blick. Sie
war Tochter einer alleinerziehenden Molkereiangestellten, kaute ständig Kaugummi
und hatte gewisse Lernschwierigkeiten. Vor allem aber war es ihr schlicht unmöglich,
das Einmaleins zu lernen. Diese Tatsache nutzte Göransson aus, indem er jede seiner
Lektionen mit derselben Frage einleitete: «Gunnel, wie viel ist acht mal sieben?»
    Wie auf Kommando wurde das Mädchen
leichenblass im Gesicht. Sie stotterte und riet wild drauflos, und einmal wurde
sie sogar so nervös, dass sie sich geradewegs in ihr Rechenheft übergab. Natürlich
war die Antwort immer falsch, woraufhin die ganze Klasse in lautes Gelächter ausbrach,
was mit der Zeit nahezu ein festes Ritual wurde. Donald Göransson quittierte seine
Genugtuung mit einem zufriedenen Lächeln.
    Einmal hatte ein Opfer versucht, Göranssons
Misshandlungen mit dem Schlüsselbund im Schülerrat aufzugreifen. Aber obwohl man
bereits die Siebzigerjahre schrieb, waren Schulreformen, Schülerdemokratie und ähnliche
neumodische Errungenschaften irgendwie noch nicht bis nach Tomelilla vorgedrungen.
Die Sache verlief ziemlich schnell im Sande. Und Donald Göransson war mit Sicherheit
nicht der einzige Lehrer, der seinen Schülern hier und da heimlich eine Kopfnuss
verpasste.
    Konrad hatte sich auf den Klassenausflug
in Skänes Tierpark gefreut. Dort gab es Wölfe, Luchse und Kreuzottern, war ihnen
versprochen worden.
    «Teuflisch giftig», beteuerte Sven
Myrberg, als sie in den Bus stiegen.
    Auch auf diesem Gebiet hatte er eine
umfassende Vorbildung.
    «Wenn man gebissen wird, ätzt es einem
die Adern weg. Aber zum Glück haben sie keine Speikobras. Die hätten uns mit 'ner
Ladung Spucke töten können, während wir dastehen und sie anglotzen.»
    «Jetzt übertreibst du aber ein bisschen,
Sven», warf Magister Göransson ein.
    Er hatte neben dem Busfahrer gestanden
und zugehört, ohne dass sie ihn bemerkt hätten. Er trug ein Fernglas an einem Riemen
um den Hals sowie eine Fjällrävenjacke und Militärstiefel.
    «Es gibt keine Schlangen, die spucken.
Und außerdem brauchst du ja keine Angst vor Schlangen zu haben, Sven. Du weißt doch
wohl, dass sie roten Ameisen nichts anhaben können, oder?»
    Der Busfahrer und ein paar Schüler,
die seinen boshaften Witz mitbekommen hatten, lachten laut. Sven verstummte, suchte
sich einen Platz und setzte sich. Er drückte seine Stirn gegen das Fenster und murmelte
etwas, sodass die Scheibe beschlug. «Scheißkerl», schrieb er mit dem Zeigefinger,
wischte es aber gleich wieder weg, damit ihn keiner verpetzen konnte.
    Es dauerte eine knappe Stunde bis nach
Frostavallen, und bereits auf halber Strecke roch es im Bus nach feuchten Wollsocken,
halb vergammelten Bananen und ranzigen Butterbrotpaketen. Konrad öffnete seinen
Schulranzen, um nachzugucken, was er dabeihatte. Signe hatte ihm drei Wurstbrote,
ein hartgekochtes Ei und eine Zimtschnecke eingepackt. Außerdem waren da noch eine
Flasche Orangensaft und zwei Kronen für ein Eis am Kiosk. Das Geld hatte er erst
nach beharrlichem Betteln bekommen.
    «Aber sag Mutter nichts», hatte Herman
geflüstert, als er ihm schließlich die Münze zusteckte und einen unruhigen Blick
hinter sich in die Küche warf.
    Bei den Jönssons herrschte nicht gerade
ein Überfluss an Geld, und Signe predigte immer wieder, dass Sparsamkeit eine Tugend
sei. Sie hatte panische Angst vor Armut und entsaftete und kochte entsprechende
Mengen ein, sodass der ganze Keller voll mit Einmachgläsern stand. Jeden Abend saß
sie vor dem Fernseher und flickte Klas' abgelegte Klamotten. Konrad hasste sie,
genau wie er seinen Stiefbruder hasste. Klas' Geruch schien niemals ganz rauszugehen,
und das Zeug kratzte und juckte, aber jeden Morgen, wenn er in Unterhosen auf der
Bettkante saß, endete es damit, dass er es wieder anziehen musste.
    Konrad hielt das Zweikronenstück, das
er von Herman bekommen hatte, in der Hosentasche fest mit seiner Hand umschlossen
und ging im Kopf die Eiskarte durch. Süßigkeiten durften sie nicht kaufen, das
hatte Göransson ihnen ausdrücklich verboten. Aber ein Eis als Nachtisch würden sie
nach dem Mittagessen kaufen dürfen.
    Sie wanderten ein paar Stunden zwischen
den Käfigen und

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