Laennaeus, Olle
seine Spur einzubiegen, bevor auf der entgegenkommenden
Fahrbahn ein Sattelschlepper vorbeidonnert.
In Palanders Gesicht breitet sich ein
zufriedenes Grinsen aus.
«Ich hab erfahren, dass sie Torstensson
gestern am späten Abend freigelassen haben», erklärt er. «Der Rechtsanwalt muss
die Staatsanwältin davon überzeugt haben, dass Tore die Albanerjungs in Notwehr
erschossen hat. Immerhin hat die Polizei ihre Pistole im Brunnen gefunden, oder?
Mit dem richtigen Kaliber und Fingerabdrücken von Feriz. Alles klar wie Kloßbrühe.
Torstensson ist demnach bedroht worden, als er schoss. Und die Staatsanwältin glaubt
nicht, dass sie ihn noch wegen Mordes oder Totschlags drankriegen kann. Beziehungsweise,
dass überhaupt eine rechtliche Grundlage existiert, um ihn weiterhin in Haft zu
behalten.»
«Ja, das leuchtet ein. Aber warum haben
Sie geklungen, als ginge es um Leben und Tod, als Sie anriefen? Als ginge es um
Sekunden?»
«Kapieren Sie denn nicht? Tore Torstensson
ist ein Scoop! Heute ist Sonntag, und bisher bin ich der Einzige, der weiß, dass
er entlassen worden ist. Aber wenn es herauskommt, werden die Kollegen von der
Boulevardpresse wie die Wahnsinnigen bei ihm einfallen und hinter jedem Baum und
Strauch lauern. Sie können froh sein, dass ich Ihnen angeboten habe mitzukommen.»
«Ich bin Ihnen sehr dankbar ...», entgegnet
Konrad, während er bemüht ist, seine steigende Nervosität zu verbergen. Palander
besitzt die irritierende Angewohnheit, das Steuer loszulassen, sobald er den Mund
öffnet. Jetzt schielt er zur Seite, lange genug, um Konrad befürchten zu lassen,
dass sie jeden Moment im Graben landen.
«Jetzt sind wir die Ersten. Tore hat
bestimmt keine Ahnung, was ihn erwartet. Und wenn er nicht allzu üble Laune hat,
können wir ihn bestimmt überreden, uns hereinzulassen. Vielleicht kann er uns auch
den einen oder anderen Hinweis zu Herman und Signe liefern.»
Konrad versucht es zu vermeiden, auf
die Straße zu sehen.
Er versinkt nach und nach in seinen
eigenen Gedanken. Es ist Fatima, die in seinem Kopf auftaucht. Sie schien sich im
Hinblick auf das, was sie gehört hatte, ganz sicher zu sein. Er sieht das Mädchen
vor sich: Der Pfefferkornblick, der unter ihrem Pony hervorlugte, forderte, dass
er ihren Worten Glauben schenkte. Die Rastlosigkeit in dem zierlichen Körper. Die
angenagte Nagelhaut an ihren Fingern, die niemals zur Ruhe kamen.
Sollte er Palander von ihr erzählen?
Eigentlich müsste ich es tun, denkt
Konrad. Doch irgendetwas hält ihn zurück; vielleicht will er erst selber mehr verstehen.
Konrad ist sich außerdem nicht sicher, ob Palander sich von Fatima überzeugen lassen
würde. Vermutlich würde er glauben, dass sie es war, die den Zettel in den Briefkasten
der Redaktion geworfen hat. Und dass sie das Telefonat nur erfunden hat, um die
Ehre ihres toten Bruders zu retten. Konrad will um nichts in der Welt riskieren,
dass Fatima in den Scoop hineingezogen wird, der in Palanders Kopf bereits Form
angenommen hat. Sie ist kaum der Typ, der in die Schlagzeilen kommen möchte.
Sie fahren mit hohem Tempo durch Onslunda,
und am Ortsausgang gelingt es Palander mit einer Vollbremsung gerade noch, einer
schwarzen Katze auszuweichen. Er flucht und klopft abergläubisch aufs Steuer: «Verdammtes
Katzenvieh !»
Dann wendet er sich völlig unberührt
wieder Konrad zu.
«Ich gehe davon aus, dass Sie verstehen,
dass Sie als Privatperson dabei sind. Tore Torstensson ist meine Story.»
Konrad nickt. Sie brauchen sich keine
Sorgen zu machen, denkt er. So viele Stunden, wie er im vergangenen Jahr lustlos
auf den leeren Bildschirm seines Computers gestarrt hat, ohne auch nur einen einzigen
sinnvollen Satz zustande zu bringen. Und der Roman, er hat ihn ja kaum richtig angefangen.
Und er hat weder eine Ahnung, wie seine Story anfängt, noch wie sie enden soll.
A ls sie die
Schotterstraße halbwegs erklommen haben, können sie zwischen den Weidenbäumen einen
alten Mann erkennen. Das muss Tore Torstensson sein. Er hat ihnen den krummen Rücken
zugewandt und hält einen breiten Malerpinsel in der Hand. Sein Schädel ist sonnengebräunt,
und vereinzelte fettige, graue Haarsträhnen hängen hinunter über seinen Flanellkragen.
Seine fleckigen Latzhosen schlackern wie ein schlaffes Segel unter seinem Hintern.
Als sie aus dem Auto steigen und die
Türen hinter sich zuschlagen, hat Torstensson den Pinsel aus der Hand gelegt und
sie bereits eine ganze Weile beobachtet. Seine Augen liegen
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