Laienspiel
durchaus nicht ungewöhnlich seien.
Kluftinger verzog sich derweil wieder auf die Terrasse und wartete dort, bis das Feuer erloschen war. Jetzt fing aber auch die Verpackung daneben durch einen Funken Feuer und begann schwarz zu qualmen. Glücklicherweise hatte er vorsorglich den kleinen Autofeuerlöscher bereitgestellt. Binnen Sekunden hatte er damit den kokelnden Pappkarton gelöscht. Das war ja noch einmal gut gegangen. Kluftinger raffte die Überbleibsel zusammen, packte sie in die Mülltonne und scharrte mit dem Fuß die Pulverreste beiseite. Dann machte er sich auf den Weg in die Garage, um den alten Holzkohlegrill mit dem geschweißten Fuß zu holen. Als sein Vater wieder nach draußen trat, hatte er bereits alle Spuren beseitigt.
»Hast du da etwa Kohle zu den Lavasteinen getan?«, fragte der misstrauisch.
»Ich … äh … muss mir das erst noch mal genau anschauen. Die Gasflasche war ja leider leer.«
»Leer?«
»Ja, aber das ist ja nicht schlimm. Trotzdem danke fürs Vorbeibringen«, entgegnete Kluftinger schnell und wandte sich wieder dem alten Grill zu.
Den fragenden Blick seines Vaters auf das weiße Pulver im Garten beantwortete er lediglich mit einem »Die scheiß Katzen allweil!«.
»Jetzt komm halt rein«, forderte Erika ihren Gatten auf. Doch Kluftinger, der wegen des heftigen Regens mittlerweile unter dem alten Sonnenschirm vor seinem Grill stand, dachte gar nicht daran. Einem echten Grillmeister konnte ein wenig Regen nichts anhaben und außerdem hatte er heute schon genug Unbill deswegen ertragen müssen. Und wie sich seine Frau das immer vorstellte. Man konnte das Grillgut nicht einfach sich selbst überlassen. Es brauchte Pflege und Überwachung. Und es brauchte Bier, mit dem man es übergoss, und Kräuter, die man im Garten abrupfte und in die Glut warf, sodass es qualmte und gut roch.
»Wo ist eigentlich der Fisch für Miki?«, rief ihm Markus durch die offene Schiebetür zu, nachdem er eine riesige Fleischplatte in Empfang genommen hatte.
»Gleich fertig«, gab der Kommissar zurück und verschwand für die nächsten fünf Minuten im Keller. Das mit dem Fisch hatte er völlig vergessen. Aber wofür hatten sie eine Tiefkühltruhe? Da würde sich doch sicher etwas finden.
Zwanzig Minuten später brachte er schließlich ein paar verkohlte Fischstäbchen ins Esszimmer.
Markus tadelnden und Yumikos enttäuschten Blick nahm er kaum wahr, denn was er auf dem Tisch sah, ließ auch seine Mundwinkel nach unten wandern: Das Fleisch war weg, vom Salat war nur noch ein kümmerlicher Rest geblieben. Als er sich setzte und sich zwei Fischstäbchen auf seinen Teller schaufelte, sah er wehmütig zum dampfenden und zischenden Grill, auf den der Regen jetzt trotz Schirm in großen Tropfen fiel. Das nächste Mal würde er gleich während des Grillens wieder heimlich ein oder zwei Steaks essen, wie er es sonst immer machte. Als Grillmeister hatte man sonst einfach das Nachsehen.
Noch 2 Tage, 13 Stunden, 13 Minuten, 24 Sekunden
Kluftinger war sich sicher, dass es nur Einbildung war, aber es nützte nichts: Er hatte das Gefühl, ein großes Loch in seinem Magen zu haben. Das war immer so, wenn er am Vorabend nicht genügend gegessen hatte. Da half dann auch ein ausgiebiges Frühstück nichts mehr. Aus seiner Sicht verhielt es sich mit Nahrung wie mit Schlaf: Ein einmal erlittenes Defizit war so schnell nicht mehr aufzuholen. Man schleppte es immer ein Weilchen mit sich herum. Und die paar verkohlten Fischstäbchen und die welken Blättchen Salat, die ihm beim Grillen gestern geblieben waren, hatten seinen Nährstoffhaushalt eindeutig ins Minus getrieben.
Wie immer war die Mehrheit der Task Force bereits bei der Arbeit. In seiner Abteilung war er oft der Erste, der morgens das Büro betrat … eigentlich die beste Zeit des Tages, denn da konnte er ohne Störung seinen Bürokram erledigen. Doch hier war das anders: Er war nur ein Rädchen in dieser Maschinerie, die jetzt bereits auf vollen Touren lief. Als er sich auf seinen Platz setzte, nickte ihm Yildrim nur flüchtig zu und bat dann auch die anderen, sich zu setzen. Nur Bydlinski fehlte noch, aber auch das hatte sich inzwischen so eingebürgert.
Als alle saßen, kam Yildrim ohne Umschweife zur Sache. »Wir haben eine Spur«, sagte er. Die Erleichterung darüber, dass es nun wieder etwas gab, dem sie nachgehen konnten, war ihm bei jeder Silbe anzumerken. »Es ist keine besonders gute oder heiße Fährte«, schränkte er jedoch sofort ein.
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