Laienspiel
halten Sie uns bitte nicht auf.«
Der österreichische Kollege setzte sich auf, schüttelte den Kopf und brummte dann: »Is doch wahr. Der sieht mit seinem Bart doch wirklich aus wie ein Islami. Und im Café war er eh.«
Jetzt platzte Yildrim der Kragen. »Verdammt noch mal, jetzt reißen Sie sich zusammen. Das ist genau die Einstellung, die wir nicht brauchen. Menschen wegen ihres Aussehens zu denunzieren! Sind wir schon wieder so weit?« Dann zwinkerte er Kluftinger zu, der irritiert zwischen ihm und Bydlinski hin und her blickte.
»So, und jetzt teilen wir die Schichten ein.« Der Task-Force-Leiter nahm die Einteilung vor, in die mittlerweile auch zahlreiche andere Beamte der Polizeidirektion einbezogen wurden. Schließlich blieben Kluftinger, Yildrim und Bydlinski allein im Raum zurück.
»So, meine Herren, wir drei machen heute Vormittag einen kleinen Ausflug nach Bregenz.«
Bydlinski und Kluftinger sahen sich überrascht an.
»Wir werden dort die Kollegen vor Ort ins Gebet nehmen. Ich bin mir sicher, dass die ihr Sicherheitskonzept nach der aktuellen Sachlage modifizieren müssen. Herr Bydlinski, Sie kommen mit. Sind ja Ihre Landsleute, das kann nicht schaden.«
Bydlinski zog es vor, einfach zu nicken.
»Gut«, fuhr Yildrim fort, »ich setze mich gleich mit den zuständigen Stellen in Verbindung. Kollege Kluftinger, falls Sie noch was in Ihrer Abteilung zu erledigen haben, wäre das jetzt ein guter Zeitpunkt. Ich melde mich dann, wenn wir fahren können.«
»Wo sind denn die anderen, Sandy?«, wollte der Kommissar wissen.
»Alle ausgeflogen. Nur misch haben se zurückgelassen. Die Herren besichtigen unsere neuen Diensträume in der Innenstadt.«
»Da ist doch alles leer, was wollen die denn da besichtigen?«
»Der Herr Lodenbacher hat sie raufgeschickt, weil die neuen Möbel oben schon da sind. Und da wollten sie die Zimmer verteilen.«
Kluftinger schwante Böses. Die Raumaufteilung. Wenn Maier die vornehmen würde, wäre sie sicher weder brauchbar noch mehrheitsfähig.
»Ich bin mal kurz weg«, rief er seiner Sekretärin im Hinausgehen über die Schulter zu.
Kluftinger beschlich ein bisher unbekanntes Gefühl, als er durch die Kemptener Innenstadt zum zukünftigen Gebäude der Kriminalpolizei fuhr. Irgendwie kam er sich ausgegrenzt vor. Schließlich hatten sie ihn nicht einmal gefragt, ob er die neuen Büros auch ansehen wolle. Als ob er schon gar nicht mehr dazugehörte. Sogar der Umstand, dass er seine Sachen nicht selbst eingepackt hatte, was ihm vor kurzer Zeit noch so angenehm erschienen war, stimmte ihn jetzt ein wenig melancholisch. Schließlich war ein solcher Umzug ja ein gemeinsames Erlebnis mit den Kollegen, etwas, das einen verband. Schon jetzt dachte Kluftinger mit Wehmut an den Moment in gut zehn Jahren, da er in Pension gehen müsste. Müsste. Noch vor fünf Jahren wäre bei diesem Gedanken die reine Freude aufgekommen. Nun hatte er einen Vorgeschmack darauf bekommen. Und der fühlte sich nicht so freudig an.
Trotzdem war er dankbar, in der Task Force mitarbeiten zu dürfen. Er hätte bei einer solchen Bedrohung mit einem weit größeren Stab gerechnet, hatte er Yildrim unlängst gestanden. Der hatte nur gelächelt und auf die Hundertschaft verwiesen, die in Wiesbaden, Berlin und München darauf wartete, für ihn tätig zu werden, zu ermitteln, Informationen zu beschaffen. Kluftinger hatte verstanden. Ermittlungen sahen heute, in einer vernetzten Welt, anders aus, als er es gelernt hatte, und eigentlich auch anders, als sie sie hier in der Provinz tagtäglich betrieben.
Noch ganz in Gedanken grüßte Kluftinger den weinroten Golf, der ihm mit drei Mann besetzt vor dem Kornhaus entgegenkam. Erst als der Wagen bereits nicht mehr zu sehen war, realisierte der Kommissar, dass das soeben seine Kollegen gewesen waren. Nicht einmal auf ihn gewartet hatten sie also, dachte er, und als ihm klar wurde, wie weinerlich das klang, erinnerte er sich daran, dass sie ja nicht gewusst hatten, dass er noch kommen würde.
Das würde also bald sein täglicher Weg zur Arbeit sein. Mitten durch die Stadt. Für ihn bedeutete das gute zehn Minuten mehr. Zehn Minuten früher losfahren. Oder aber zehn Minuten später im Büro sein. Auch diesen Luxus würde er sich in Zukunft leichter leisten können: Lodenbacher, der sich größte und laut gut unterrichteter Kreise begründete Hoffnungen darauf machte, Polizeipräsident zu werden, würde nicht mit umziehen. Kluftinger gönnte ihm die Beförderung aus
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