Laienspiel
»Aber besser als nichts. Sie haben alle die entsprechenden Aufzeichnungen bereits auf Ihrem Tisch.«
Kluftinger nötigte diese perfekte Organisation einen gewissen Respekt ab. Wenn er da an die Besprechungen mit seinen Kollegen dachte, die liefen doch weitaus weniger koordiniert und vorbereitet ab. Dennoch hatten sie bislang fast alle Fälle gelöst, beruhigte er sich selbst ein wenig.
»Also, gestern, spätabends, kam noch ein Anruf von einem Mann hier in der Dienststelle rein. Er ist Besitzer eines Internetcafés.«
Beim letzten Wort horchte Kluftinger auf. Der Besitzer eines Internetcafés? Konnte das ein Zufall sein? Immerhin war er ja gestern auch in einem solchen Lokal gewesen. Es war ihm ein wenig unangenehm, dass er bei dieser straffen Organisation noch keinen Bericht über seine gestrige Beschattung verfasst hatte. Gespannt lauschte er weiter den Worten des Task-Force-Leiters.
»Dieser Mann, ein Herr …«, Yildrim blickte suchend auf die Papiere vor ihm, »… ein gewisser Herr Nagler, meint, etwas Verdächtiges beobachtet zu haben. Ein orientalisch aussehender Mann sei bei ihm im Café gewesen. Die übliche Beschreibung: dunkler Vollbart, finstere Augen und so weiter.« Yildrim seufzte.
Kluftinger dachte nach: Die Beschreibung passte auf den Mann, den er gestern im Visier gehabt hatte. Der Name war ihm im Moment entfallen, aber er hatte ihn sich ja aufgeschrieben. Sollte er gestern etwas übersehen haben?
»Also, der Mann habe sich wohl irgendwie komisch verhalten, hat dieser Nagler gesagt.«
Kluftinger nickte, was ihm einen fragenden Blick von Yildrim einbrachte.
»Angeblich war er auf irgendwelchen Terrorseiten unterwegs.«
Wieder nickte Kluftinger. Das würde passen. Er hatte zwar nicht genau sehen können, was der andere vor ihm da so alles getrieben hatte, aber es schien nur logisch, dass auch solche Seiten dabei waren. Ein nervöses Kribbeln machte sich im Magen des Kommissars breit. Er konnte gut verstehen, dass Yildrim so voller Tatendrang war. Noch immer aber hatte er leichtes Magengrimmen, dass der Task-Force-Leiter das noch nicht von ihm erfahren hatte. Er hatte ja den Namen weitergegeben, ihn über den genauen Hergang der Beschattung zu informieren hatte er für nicht so dringend gehalten.
»Sie müssen wissen«, sagte der nun und legte die Papiere zur Seite, »dass Terroristen sehr wohl das System zu nutzen wissen, das sie bekämpfen. Die Anonymität des Internets ist eine ihrer schärfsten Waffen. Eine Waffe, die wir ihnen, im übertragenen Sinne natürlich, in die Hand gegeben haben. Die Attentäter von Madrid beispielsweise haben sich aus dem Internet ihre Bombenbauanweisung heruntergeladen. Das ist notwendig für sie, denn viele ihrer Dschihad-Trainingslager sind seit dem Irak-Krieg trockengelegt. Außerdem kommunizieren sie miteinander über das Netz. Wie wir ja selbst auch wissen. Die Attentäter vom 11. September haben sich die entsprechenden Flugverbindungen natürlich aus dem Web geholt. Wie Tausende anderer Informationen. Wie man später herausgefunden hat, waren sie dabei vor allem in Internetcafés zugange, denn dort hinterlassen sie nicht einmal eine IP-Adresse. Jedenfalls keine, die Rückschlüsse auf ihre Identität zulassen würde.«
»Aber wie kann es denn dann sein, dass der Besitzer wusste, welche Seiten der Mann angeschaut hat?«, wollte Marlene Lahm wissen. »Normalerweise wird doch die History der besuchten Seiten bei Verlassen gelöscht. Oder sie würden sie selbst löschen.«
Kluftinger verstand nur die Hälfte, aber er bekam zumindest mit, dass der Mann mehr Spuren als üblich hinterlassen hatte.
»Und der Betreiber eines Internet-Pools wird sich ja wohl kaum die Mühe machen, alle Seiten von allen Kunden zu kontrollieren, selbst wenn er das könnte«, fuhr die BKA-Beamtin fort.
»Sehr richtig, aber er hat sich beim Verlassen nicht ausgeloggt.«
Kluftinger konnte einigermaßen folgen. Er hatte verstanden, dass der Mann einen Fehler gemacht hatte. Das Jagdfieber steckte nun auch ihn an.
»Allerdings gibt es etwas, was mich ein bisschen stutzig macht«, sagte Yildrim nachdenklich. »Der Mann scheint nicht in unser Täterprofil zu passen.« Lahm sah ihn fragend an.
»Es ist so: Diese potenziellen Attentäter sind in der Regel strenggläubige Menschen. Jedenfalls nach ihren Maßstäben. Promiskuität und ausschweifende sexuelle Aktivitäten gehören nicht zu ihren Gewohnheiten. Auch explizite sexuelle Darstellungen sind verpönt. Und da wundert es mich
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