Laienspiel
diesem Grund von Herzen. Dafür nahm er sogar die fehlenden Parkplätze am ehemaligen Milchwirtschaftshaus in Kauf. Dort oben waren sie für sich.
Andererseits würde die Umstrukturierung auch eine Ausweitung seines Zuständigkeitsbereichs bedeuten: Das Unterallgäu, bis fast nach Landsberg, würde dann zu seinem Revier gehören ebenso wie das bayerische Bodenseeufer. Die »Allgäuer Polizei« würde dann ihren Namen zu Recht tragen. Und noch etwas würde die Reform mit sich bringen: Den KDD, den Kriminaldauerdienst. Eine ständig besetzte Dienststelle. Auch für ihn würde das einige Nachtschichten und Bereitschaftsdienste mehr bedeuten. Hin- und hergerissen zwischen Vorfreude und bösen Ahnungen, erreichte er das neue Dienstgebäude.
»Das könnte dem so passen«, sagte Kluftinger in den wirklich schön renovierten Räumen, die er bald mit seiner Abteilung beziehen würde, knüllte den von Maier unterzeichneten Raumplan zusammen, den er auf dem Schreibtisch gefunden hatte, und nahm die Haftnotizen von den Schreibtischen, auf denen Maier die Namen der Kollegen vermerkt hatte. In Ermangelung eines Papierkorbs legte er sie auf dem Fensterbrett ab und verteilte die kleinen Schildchen völlig neu.
Maier hatte sich zunächst ein Einzelbüro gegeben, nach Kluftingers Neueinteilung saß er nun zusammen mit dem Praktikanten. Das hatte noch einen weiteren Vorteil: Kluftingers Büro lag nun so weit von Maiers entfernt, wie es die Räumlichkeiten eben zuließen. Sowohl die Toilette als auch die neue Kaffeeküche und ein Vernehmungsraum befanden sich dazwischen. Strobl und Hefele teilten sich nun ein schönes Zimmer mit Blick auf das große Multiplexkino. Ein Zimmer blieb leer. Kluftinger bezeichnete es im Geiste als »Maiers Beinahebüro«, im offiziellen Sprachgebrauch würde es als »kleines Besprechungszimmer« firmieren.
Zufrieden ging er in sein zukünftiges Büro zurück und öffnete ein Fenster. Er hatte die Dinge wieder gerade gerückt und freute sich schon auf den Alltag, der bald hier einkehren würde. Er streckte sich und genoss die frische Luft, die durchs Fenster hereinkam. Das also würde sein täglicher Ausblick werden. Das neue Kemptener Kino. Von hier aus sah es eigentlich recht gelungen aus. Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr, die vom Nebenhaus des Kinos kam. Sein Lächeln gefror: Von gegenüber winkte ihm freundlich eine üppige Wasserstoffblondine zu, nur mit einer roten Korsage bekleidet, die die Brüste aussparte.
»Was …«, stieß Kluftinger hervor.
»Hallo, ich bin die Uschi!«, schallte es ihm entgegen. »Auf gute Nachbarschaft, Herr Inspektor!«
Kluftinger winkte fahrig zurück und schloss peinlich berührt das Fenster. Dass sich das neue Dienstgebäude gegenüber eines ihnen wohlbekannten »Etablissements« befand, wie sie zu sagen pflegten, hatte er schon wieder vergessen. An den Gedanken, dass das nun auch zu seiner täglichen Aussicht gehören würde, musste er sich erst noch gewöhnen. Mit einem flauen Gefühl im Magen eilte er zu seinem Auto, das er direkt vor dem »Haus Nummer 69« abgestellt hatte, wie ihm erst jetzt auffiel.
»Kannst ruhig bei uns stehen, wenn Not am Mann ist, Herr Inspektor. Kostet nix für dich. Vormittags haben wir’s eher ruhig hier!«, rief die Frau, die sich ihm als Uschi vorgestellt hatte, auf den Parkplatz hinunter.
Kluftinger sah hoch. Mittlerweile hatte sie sich ein Negligé übergezogen.
»Ich … äh … sehr nett, wirklich … Fräulein Uschi!«
»Ja, aber verrat es den Kollegen nicht, dass du hier Sonderkonditionen hast. Gilt nur für dich, weil unsere Zimmer ja gegenüberliegen!«
»Ich … werde schweigen«, rief der Kommissar und stieg schnell in den Wagen. Er hatte es so eilig, von hier wegzukommen, dass er den silbergrauen Mercedes gar nicht bemerkte, der etwas entfernt parkte. Dessen Fahrer hatte gerade das Schild »Arzt im Dienst« in die Windschutzscheibe gestellt und sah Kluftingers altem Passat mit offenem Mund hinterher.
Als Bydlinski und Yildrim in Kluftingers alten Passat einstiegen, wobei sich der Österreicher freiwillig auf die Rückbank verzog, fragte sich der Kommissar, wann er das letzte Mal in Bregenz gewesen war. Es war schon seltsam: Obwohl die Hauptstadt des Landes Vorarlberg nicht wesentlich weiter entfernt war als Lindau, ein Ausflugsziel, das er und vor allem seine Frau Erika durchaus schätzten, fuhr er meist nicht bis nach Österreich. Vielleicht lag das auch daran, dass die Grenzkontrollen und die
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